Die Umstellung auf S/4HANA ermöglicht einen frischen Blick auf die Prozesse

Mario Zillmann hat sich im Rahmen der Studie „S/4HANA-Umstellung“ mit Hendrik Thörner, Partner Consulting bei KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zum Status quo der ERP-Modernisierung unterhalten.

03.05.2021

Hendrik Thörner, Wirtschaftsprüfer und Partner im Bereich Consulting, KPMG

Hendrik Thörner

Partner, Consulting
KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Mario Zillmann

Mario Zillmann

Partner
Lünendonk & Hossenfelder GmbH

MARIO ZILLMANN: Die Einführung von S/4HANA war bereits in der Erstauflage der Studie aus 2019 eines der wichtigsten Themen für die Kunden. Wie hat sich die Situation durch Covid-19 nun verändert?

HENDRIK THÖRNER: Das Gute ist, dass die Situation sich eigentlich nicht verändert hat. Trotz Krise und angespannten Mitteln bleibt die Umstellung auf S/4HANA eines der wichtigsten Themen für die Unternehmen.

MARIO ZILLMANN: Die Ergebnisse der Studie zeigen, für 39 Prozent der Befragten hat Covid-19 Auswirkungen auf die Umstellung zu SAP S/4HANA. Können Sie diesen Eindruck bestätigen?

HENDRIK THÖRNER: Ja, wir und auch viele weitere Unternehmen erkennen zunehmend den Bedarf, Prozesse zu digitalisieren und sich auf veränderte Marktbedingungen einzustellen. Die Studie macht hier deutlich, dass dieser Eindruck auch durch die befragten Unternehmen bestätigt wird. Das zeigt sich besonders an der Stelle, wo die Digitalisierung der Arbeitsweise im Vordergrund steht, d.h. in der Innenorganisation, aber auch dort, wo sich das Kundenverhalten deutlich ändert und das Unternehmen darauf reagieren muss.

MARIO ZILLMANN: Die Deadline bis 2025 hat sich verschoben, trotzdem wollen 87 Prozent der Befragten die Implementierung in den nächsten 4 Jahren wie geplant vornehmen. Wie bewerten Sie diese Entscheidung?

HENDRIK THÖRNER: Zunächst einmal ist es positiv, dass die Unternehmen weiterhin ihre Modernisierung im Blick haben und dementsprechend auch die Umstellung schnell vorantreiben wollen. Persönlich war ich überrascht, dass die Unternehmen den längeren Zeitraum, zumindest bzgl. des Abschlusses der Umstellung, nicht stärker ausnutzen wollen.

MARIO ZILLMANN: Wir haben mit der aktuellen Untersuchung auch festgestellt, dass es viele Verzögerungen im Prozess gibt, die sich auch auf die Krise zurückführen lassen. Wie nehmen Sie die Implementierungsphase und die Einhaltung der Zeitpläne bei Ihren Kunden derzeit wahr? Wie verändert sich dadurch die Zusammenarbeit mit den Kunden?

HENDRIK THÖRNER: Ich möchte auf zwei Beobachtungen eingehen: Die erste ist, dass Kunden aufgrund der Krise große Projekte gegebenenfalls verzögert angegangen sind, um Planungssicherheit für die Projekte und auch für das Unternehmen zu schaffen. Die zweite Beobachtung betrifft die Kunden, die sich mitten in der Umstellung befanden. Hier wirkt sich vor allem die geänderte Zusammenarbeit durch Remote- und andere Arbeitsformate aus. Implementierungsphasen wurden teilweise bewusst verlängert, um die neue Arbeitsweise zu reflektieren und den Teams die Möglichkeit zu geben, sich entsprechend darauf einzustellen.

MARIO ZILLMANN: Wie haben sich die Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden zur Digitalisierung durch die Pandemie verändert?

HENDRIK THÖRNER: Ich hatte bei meinen Kunden Glück, dass Entlassungen kein Thema waren. Wir alle mussten uns im März/April 2020 anpassen, um Remote Working in der Projektmethodologie verstärkt zu berücksichtigen und sind inzwischen nach 12 Monaten Beobachtung sehr positiv, was die Wirkung dieser Umstellung angeht. Die Investitionsänderungen reflektieren sich teilweise darin, dass die SAP-Transformation dennoch weiterhin eingeplant wurde.

MARIO ZILLMANN: Oft wird von einem holistischen Ansatz gesprochen, der für die optimale Implementierung von SAP S/4HANA entscheidend ist. Können Sie erläutern, was und wer alles dazugehört, um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen?

HENDRIK THÖRNER: Zielstellung einer Transformation ist die Automatisierung und die Vereinfachung der Prozesse. Damit dies funktioniert, müssen beim Kunden die Abläufe in der Logistik, Produktion und im Warenmanagement bis hin zu Finance und Steuern integriert ablaufen. All diese Bereiche sind in ein S/4HANA-Projekt einzubinden und müssen dazu beitragen können, Automatisierungspotenziale zu heben. Nur die vollständige Prozessbetrachtung über alle Dimensionen hinweg, die im SAP-System abgebildet werden, führt auch dazu, dass das Potenzial der Automatisierung und der Digitalisierung erreicht werden kann.

MARIO ZILLMANN: In welcher Form kann SAP S/4HANA den Weg in die Digitalisierung für Unternehmen bereiten oder erleichtern?

HENDRIK THÖRNER: Die Umstellungsprojekte ermöglichen einen frischen Blick auf die Prozesse. Das geht damit einher, dass Dinge, die früher auf Papier oder mit Medienbrüchen erfolgt sind, auf einmal neu betrachtet und dann auch im S/4HANA-System abgebildet werden können. Neue digitale Möglichkeiten, moderne Technologien und das komplette Neudenken von Arbeitsweisen und Prozessen kommen hier zusammen.

MARIO ZILLMANN: Welche Empfehlung würden Sie Unternehmen geben, die aufgrund der angespannten Situation Schwierigkeiten haben, Vorbereitungen für die Digitalisierung zu priorisieren?

HENDRIK THÖRNER: Ich würde mir Themenfelder suchen, die eine hohe Anzahl an Transaktionen oder derzeit große manuelle Tätigkeiten erfordern; somit ließe sich eher der Gesamtumfang des Projektes reduzieren als allen Prozessen eine zu geringe Aufmerksamkeit zu widmen. Das soll heißen, es ist wichtiger, wenige Prozessketten richtig umzustellen und zu digitalisieren, als unbedingt das gesamte End-to-End-Projekt zu bedienen. Vor allem wenn dies dazu beitragen kann, Ressourcen zu befreien und Effizienzen zu heben, um die Transformation fortzusetzen.

MARIO ZILLMANN: Wie wirkt sich die Zusammenarbeit remote und online auf die Ergebnisse der Kundenprojekte aus? Gibt es signifikante Änderungen und falls ja, wie nehmen Sie diese wahr?

HENDRIK THÖRNER: Richtig gemacht führt die Remote-Zusammenarbeit in meiner Wahrnehmung zu gleicher Qualität der Ergebnisse und das auch in angemessener Geschwindigkeit. Die Änderung ist eher in der Arbeitsweise und vor allem in der Art, wie wir die Mitarbeiter und späteren Nutzer des Systems abholen und trainieren können. Dabei sind insbesondere Themenstellungen wie Community-Building und gemeinsames Testen anders zu leben, aber mit modernen neuen Formaten genauso zu erreichen. Von daher nehme ich keine signifikanten Änderungen im Ergebnis wahr, vielmehr in der Arbeitsweise. Wir haben als KPMG viel Zeit und Energie darauf verwendet, moderne Formate zu etablieren, wie z.B. Remote Trainings, Testunterstützung gemeinsam am Bildschirm und Workshop-Formate in Teams, welche die Transformation unterstützen.

MARIO ZILLMANN: Kunden bewerten die Erfahrung mit Remote Working laut unserer Studie überwiegend positiv. Wie nehmen Sie das wahr? Wie lange dauert es, bis sich ein virtuelles Team eingespielt hat?

HENDRIK THÖRNER: Ich nehme die Veränderung auch als positiv wahr und hätte nicht geglaubt, dass die Umstellung auf Remote Working so erfolgreich funktionieren kann. Ich denke, dass das Einspielen eines virtuellen Teams etwas länger dauert, weil man sich Unterschiede in der Kommunikation und auch Bedürfnisse und Feedback aktiver einholen und erarbeiten muss. Das haben wir zwar alle in den letzten 12 Monaten gelernt, aber es erfordert jedes Mal wieder ein aktives Erarbeiten gemeinsam mit dem Kunden und dem Team.

MARIO ZILLMANN: Wie unterstützt KPMG den Kunden konkret bei der Einführung von S/4HANA? Wie hebt sich KPMG dabei von seinen Wettbewerbern ab?

HENDRIK THÖRNER: KPMG arbeitet eng und partnerschaftlich mit den Kunden von der frühen Zieldefinition über das Design bis hin zur technischen Umsetzung und Livesetzung des Systems zusammen. Dabei ist es uns besonders wichtig, den Fokus auf die geschäftlichen Bedürfnisse zu richten und mit Weitblick die Anforderungen über die nächsten Jahre zu berücksichtigen. Nur so können echte Mehrwerte für die Kunden erreicht werden. Die fachliche Integration und die Multidisziplinarität, die KPMG dabei in die Projekte einbringt, decken für den Kunden weite Teile der Transformationsreise ab.

MARIO ZILLMANN: Vielen Dank für das Gespräch.

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Die Lünendonk-Studie „S/4HANA-Umstellung: Status quo, Planungen und Roadmap zur ERP-Modernisierung in der Corona-Pandemie“ steht Ihnen zum kostenfreien Download zur Verfügung.

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