M&A-Beratung: Frühzeitiges Talentmanagement verschafft langfristig Wettbewerbsvorteile

Group of business people holding a jigsaw puzzle pieces. Business solution integration concept. Multi ethnic group. Close up of hands
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Hauke Meyer

Hauke Meyer

coacht bei Ginkgo Management Consulting branchenübergreifend Kunden bei Change-Prozessen und begleitet sie als agiler Coach und zertifizierter SAFe Program Consultant bei ihrer Transformation.
Dr. Olaf Radant

Dr. Olaf Radant

ist Senior Manager bei Ginkgo Management Consulting. Seine Arbeitsschwerpunkte sind die Bereiche Organisationsentwicklung, Leadership und Business Transformation.
Thomas Rühle

Thomas Rühle

ist Principal bei Ginkgo Management Consulting. Er verfügt über 20 Jahre branchenübergreifende Erfahrung in der digitalen Transformation an der Schnittstelle von Business und IT.
Daniel Sausgruber

Daniel Sausgruber

ist Senior Consultant bei Ginkgo Management Consulting. Seine Arbeitsschwerpunkte umfassen die Bereiche Mergers & Acquisitions, Digital strategie und Digitale Transformation.

Immer mehr Unternehmen erkennen heute, dass die gesteuerte proaktive Bindung von Mitarbeitenden und damit die Sicherung geistigen Eigentums zwei der wesentlichen Komponenten für den Erfolg von M&A-Transaktionen sind. In vielen Fällen hängt die Erzielung des erhofften Wertes einer Transaktion wesentlich von den Fähigkeiten ab, die Erfahrungen der wichtigsten Führungskräfte, Fachexpertinnen und -experten und Mitarbeitenden im Unternehmen zu halten. Firmen, die bei Übernahmen neben finanziellen und operativen Faktoren auch das Talentmanagement als Erfolgsfaktor berücksichtigten, konnten sich in der Vergangenheit vergleichsweise erfolgreicher entwickeln – und das nachhaltig

Der demografische Wandel und die zunehmende Digitalisierung sind additive Einflüsse, die es bei M&As zu berücksichtigen gilt. In weniger als einem Jahrzehnt werden wesentliche Teile der Bevölkerung in den Ruhestand gehen und viele Berufsfelder nicht mehr weitergeführt werden können. Zudem hat sich der Markt für Fachkräfte von einem Arbeitgeber- zu einem Arbeitnehmermarkt entwickelt. Das bedeutet, dass die Mehrheit der gut ausgebildeten Bewerberinnen und Bewerber in der Lage ist, den Arbeitgeber nach individuellen Bedürfnissen und Erwartungen zu wählen.

Unternehmen, die fusionieren, müssen sich daher zwei zentralen Fragen im Zusammenhang mit Talenten stellen:

  • Wie können Mitarbeitende, die für die Leistung des fusionierten Unternehmens von entscheidender Bedeutung sind, an das Unternehmen gebunden werden?
  • Wie kann der Auswahl- beziehungsweise Ernennungsprozess der Mitarbeitenden so gestaltet werden, dass Ziele der Fusionen entfaltet werden können.

Eine gründliche Vorbereitung und Verwaltung beider Prozesse ist für das Erreichen der Fusionsziele von größter Bedeutung.

Ein wichtiger Faktor ist die Dynamik des M&A-Marktes. Durch den kontinuierlichen Anstieg der Unternehmenstransaktionen selbst in Krisenjahren wurden Höchstwerte von 5,9 Billionen US-Dollar erzielt. Insbesondere strategische Investments (Corporate Deals und Capability Add-ons) nahmen im Vergleich zu 2020 überproportional um 3,8 Billionen US-Dollar und damit um 47 Prozent zu (https://dealogic.com). Diese Investments sind direkt mit dem bereits beschriebenen War for Talents und der Sicherung von zusätzlichem geistigem Eigentum zu verknüpfen.

M&A-Experten nennen die Bindung von Talenten als zweitwichtigsten Faktor für den Erfolg von Fusionen und Übernahmen
M&A-Experten nennen die Bindung von Talenten als zweitwichtigsten Faktor für den Erfolg von Fusionen und Übernahmen

Quelle: Bain M&A Practitioners Survey, 2022 (N=281)

Maßnahmen und Prioritäten während eines M&A-Prozesses zur Bindung von Talenten

Das Verständnis der »Logic of the Deal« ist das Schlüsselelement für die Ausrichtung der Aktivitäten zur Mitarbeiterbindung. Die Logik des Deals also ist maßgeblich dafür, welcher Ansatz zur Bindung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und deren Auswahl gewählt wird. Bei einer Scale Acquisition oder einer Reach Acquisition beispielsweise bei der Übernahme eines Wettbewerbers mit ergänzenden Produkten und Kundenbeziehungen muss der Schwerpunkt im M&A-Prozess darauf liegen, in jedem der beiden Unternehmen das Personal zu halten, das am besten geeignet ist, die Leistung des neuen beziehungsweise des kombinierten Unternehmens voranzutreiben.

Bei einer Capability Acquisition – also der Übernahme eines neues Unternehmens zwecks Eintritt in einen neuen Sektor beziehungsweise einer Erweiterung der ei- genen Fähigkeiten – wird in der Regel die Bindung der spezialisierten Mitarbeitenden des Zielunternehmens entscheidend für den Geschäftswert sein.

Üblicherweise gibt es in dieser Konstellation – abgesehen von Unterstützungsfunktionen – nur begrenzte Überschneidungen zwischen der Belegschaft des übernommenen und der des übernehmenden Unternehmens.

Festlegung der richtigen Aktivitäten zum richtigen Zeitpunkt

Verschiedene Deal-Phasen erfordern verschiedene Aktivitäten. Talentbindung beginnt nicht erst in der Post-Deal-Phase, sondern bereits in der Pre-Deal-Phase. Allerdings erfolgt die Talentbindung nicht wie möglicherweise erwartet auf der zu akquirierenden Seite, sondern im übernehmenden Unternehmen durch die Analyse der eigenen Unternehmenskultur. Indem sie die eigenen Stärken und Schwächen bewusst macht, bildet sie das Fundament einer zielgerichteten Talentbindung. Darauf sollte während des Screening-Prozesses eines zu kaufenden Unternehmens geachtet werden.

Für das Umsetzen einer Analyse hat das Cultural Assessment ein hilfreiches Tool etabliert. Der Fragebogen besteht aus X Fragen und Y Kategorien, welche die Unternehmenskultur objektiv abbilden. Die Informationen über das zu übernehmende Unternehmen sind vor allem in der Pre-Deal-Phase zumeist überschaubar. So besteht das Informationsmaterial gewöhnlich nur aus einem Kurzprofil des Unternehmens, einem Informationsmemorandum und einer Managementpräsentation. Daher ist es wichtig, die kulturelle Kompatibilität mit kreativen Ansätzen so früh wie möglich zu überprüfen.

Die Nutzung von Social-Media-Plattformen wie beispielsweise LinkedIn, Xing oder Kununu dienen auf ihre eigene Art als potenzielle Informationsquelle. Die Auskunftsfreudigkeit von aktuellen und ehemaligen Mitarbeitenden wird nämlich oftmals unterschätzt. So kann über LinkedIn – durch Nutzung einer dritten Partei – inoffiziell Kontakt mit früheren Angestellten der zu akquirierenden Firma aufgebaut werden. Die Plattform Kununu ist für Angestellte eine direkte Option – quantitativ und qualitativ –, den Arbeitgeber zu bewerten und Informationen bezüglich eines breit gefächerten Fragebogens anonym zu teilen.

Während der Deal-Execution-Phase gilt es dann, den Cultural Fit zu analysieren und bestmöglich zu verifizieren, ob die Firmenkultur des Zielunternehmens zu der eigenen passt. Weiterhin ist es notwendig, die wesentlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu identifizieren und ein Maßnahmen-Set zu bestimmen. Dieses sollte nicht nur auf finanzieller Ebene lukrativ, sondern auch in ein Umfeld mit Wachstumsmöglichkeiten, Sinnhaftigkeit und Verantwortung eingebettet sein.

Auf finanzieller Seite kann beispielsweise ein Bonus-Kompensationsmodell für die Mitarbeitenden aufgelegt werden, das an den Unternehmenserfolg über eine bestimmte Zeitperiode hinweg gekoppelt ist. Dieses Kompensationsmodell wird mit dem Ziel langfristiger Unternehmensbindung um einen zusätzlichen Bonus für die High Potentials erweitert. Für das Thema »Purpose im Arbeitsumfeld« gilt es, die Schlüssel-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter frühzeitig in den Post-Deal-Prozess einzubeziehen und ihnen eine verantwortungsvolle Aufgabe zukommen zu lassen – Stichwort: Integration Workstream Lead.

Ab der Post-Deal-Phase konzentriert sich der Einfluss auf die Gesamtheit der Mitarbeitenden. Bis zu diesem Zeitpunkt war nur ein kleiner Kreis von Informationsträgern über den M&A-Prozess informiert. Ihnen kommt nun die Aufgabe zu, die Belegschaft der betroffenen Organisation zu informieren und durch die Fusion zu begleiten. Die kleine Gruppe eingeweihter Personen hat dabei im Veränderungsprozess einen signifikanten Wissensvorsprung, der das empathische Führen der Mitarbeitenden durch die Integration erschwert. Ab hier beginnt für alle der individuelle Veränderungsprozess, der typischerweise sieben Phasen durchläuft – vom ersten Schock bis zur Akzeptanz. Talente erleben diesen Prozess aber auf eine besondere Art. Denn sie wissen, dass sie jederzeit auch bei anderen attraktiven Organisationen eine neue Stelle finden können.

Individueller Veränderungsprozess basierend auf den Bewertungen von Herausforde- rung und Bedrohung. Durch aktives Managen der Veränderung ab der Post-Deal-Phase werden die emotionalen Ausschläge von Talenten während der Integration signifikant gesenkt.
Individueller Veränderungsprozess basierend auf den Bewertungen von Herausforderung und Bedrohung. Durch aktives Managen der Veränderung ab der Post-Deal-Phase werden die emotionalen Ausschläge von Talenten während der Integration signifikant gesenkt.

Quelle: nach Belschak, F. D., Jacobs, G., Giessner, S. R., Horton, K. E., Bayerl, P. S. (2020). »When the going gets tough: Employee reactions to large-scale organizational change«.

Talente während der Integration halten

Wie können also Talente während der Integration gehalten werden? Abstrakt lässt sich diese Frage mit der Betrachtung zweier Verhaltensmodi beantworten: dem Überlebensmodus und dem Wachstumsmodus. Talente im Wachstumsmodus suchen Chancen im Veränderungsprozess, um ihre persönliche Position und die der Organisation zu verbessern. Talente im Überlebensmodus wiederum nehmen eine Verteidigungshaltung ein, die sehr wahrscheinlich aus Widerstand und Resignation gegenüber der Veränderung resultiert.

Wenn wir die Loyalität der Talente sicherstellen möchten, müssen wir ihre Bewertung des M&A-Prozesses beeinflussen. Dazu können verschiedene Faktoren genutzt werden, die sich in zwei Kategorien einteilen lassen: Umweltfaktoren und individuelle Faktoren. Während Umweltfaktoren auf alle Mitarbeitenden oder Talente gleichermaßen wirken, wirken individuelle Faktoren spezifisch auf einzelne Menschen oder sehr homogene Personengruppen.

Während dieser Phase muss auch die Nachverfolgung (Tracking) der zuvor definierten Maßnahmen implementiert werden. Quantitative Indikatoren wie zum Beispiel Abwanderungsraten zeigen, wie effektiv die Maßnahmen sind. Kurz getaktete Umfragen (Pulse Checks) in regelmäßigen Abständen zu Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeitenden können qualitative Aussagen über Verbesserungspotenziale machen. Gemeinsam vermitteln sie einen Eindruck vom gesamtheitlichen Stimmungsbild der Organisationen und sollten von Zeit zu Zeit verglichen werden.

Die »Metro-Map« zeigt eine vereinfachte Abbildung des ganzheitlichen Deal-Zyklus
Die »Metro-Map« zeigt eine vereinfachte Abbildung des ganzheitlichen Deal-Zyklus

Quelle: Ginkgo Management Consulting

Wettbewerbsvorteil durch Talentbindung sichern

Gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil. Durch externe Faktoren wie einen M&A-Prozess und die damit verbundene potenziell hohe Abwanderungsrate kann der Vorteil verloren gehen. Unternehmen sollten sich deshalb so früh wie möglich und konsequent auf die Bindung von Talenten fokussieren. Eine erfolgreiche Integration hält Talente in der Organisation, unterstützt den nachhaltigen Unternehmenserfolg und fördert die Reputation am Markt für die Gewinnung weiterer Talente.

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