Digitale Transformation: Die Zukunft des Vertriebs ist datengetrieben

Office Conference Room Meeting Presentation: Latin Businessman Talks, Uses Wall TV to Show Company Growth with Big Data Analysis, Graphs, Charts, Infographics. Multi-Ethnic e-Commerce Startup Workers
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Oleg Brodski

ist seit 2014 Consulting Partner bei der KPMG AG Wirtschafts- prüfungsgesellschaft. Er leitet das Lighthouse Germany, das die Kompetenzen zu Data Science und Emerging Technologies bündelt.
Sascha Glemser, KPMG

Sascha Glemser

ist als Partner bei der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im Consulting tätig. Er begleitet Unternehmen bei Digitalisierungsvorhaben, insbesondere im Vertriebsumfeld.

Innovative Technologien und digitale Tools revolutionieren Unternehmen in allen Branchen und Funktionsbereichen. Eine zunehmend relevante Rolle spielt für viele Unternehmen die digitale Transformation des Vertriebs. Mit einem positiven Umsatzzuwachs von 15 Prozent im Jahr 2021 zählen Beratungsprojekte in der vertriebsbezogenen Organisations- und Prozessberatung zu den wachstumsstärksten Beratungsfeldern in der Branche.1 Der Vertrieb wird von den Umwälzungen durch die Digitalisierung der Wirtschaft entscheidend beeinflusst. Zudem hat die Corona-Pandemie die digitale Transformation des Vertriebs weiter beschleunigt. Vertriebsorganisationen waren 2020 mit erheblichen Umsatzeinbußen über ihre klassischen analogen Vertriebskanäle konfrontiert.2 Die Pandemie führte dazu, dass Messen und andere Veranstaltungen abgesagt wurden, die für viele Unternehmen ein entscheidender Bestandteil ihrer Leadgenerierungsstrategie darstellen. Die digitale Transformation bietet nicht nur neue Mittel und Werkzeuge, dieser Herausforderung zu begegnen, sondern verändert auch systematisch die Rolle des Vertriebs. Infolgedessen verlagern Vertriebsorganisationen ihre Aktivitäten mehr und mehr hin zur Gewinnung von datenbasierten Erkenntnissen.

Mit Daten bessere Entscheidungen treffen und Potenziale heben

Mittelständische Unternehmen stehen häufig erst am Anfang der Digitalisierung ihres Vertriebs. Es besteht ein großer Transformations- und Handlungsbedarf in den Vertriebsorganisationen, wie der Digitalisierungindex in Marketing und Vertrieb 2021 von KPMG in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Rainer Elste von der Hochschule Esslingen zeigt. Um eine durchgängige und wertschöpfende Digitalisierung im Vertrieb zu erreichen, fehlt es häufig an notwendigen Voraussetzungen. Dies sind beispielweise ein digitales Zielbild, das die strategische Stoßrichtung definiert, eine darunterliegende Datenstrategie, die den Umgang und die Nutzung von Daten im Unternehmen bestimmt, und die benötigten Skills als wesentliche personelle Grundlage für die digitale Transformation. Nicht einmal jedes fünfte Unternehmen hat eine klare Vorstellung, welche kurz-, mittel- und langfristigen Unternehmensziele mit der Digitalisierung im Vertrieb erreicht werden sollen.3 Insbesondere das Datenmanagement wird oft vergessen, obwohl gerade die Nutzung von Daten einen essenziellen Bestandteil von Entscheidungsprozessen und das Fundament jeder Digitalisierungsbestrebung bildet. Aber was bedeutet es, ein datengetriebenes Unternehmen zu werden?

Für den heutigen Vertriebsmitarbeitenden besitzen analoge Vertriebsinstrumente immer noch eine hohe Relevanz. Der persönliche Kundenkontakt ist deutlich wichtiger als erwartet. Neue Vertriebsinstrumente und Technologien, wie etwa ein auf Künstlicher Intelligenz (KI) basiertes Pricing oder Predictive Demand Forecasting, sind häufig noch nicht im Vertriebsalltag angekommen. Um auch zukünftig im Wettbewerb bestehen zu können, ist eine steigende Relevanz von Big Data und KI für Vertriebsorganisationen unausweichlich. Dabei soll der direkte Kundenkontakt nicht ersetzt, sondern die Kundeninteraktion mit digitalen Lösungen unterstützt werden. Unternehmen müssen ihre Vertriebsentscheidungen in Abhängigkeit von Marktveränderungen, Aktivitäten der Konkurrenz und Kundenpräferenzen treffen. Mit diesen wachsenden Erwartungen ist jedoch auch die Abhängigkeit der Vertriebsmitarbeitenden von Daten gestiegen. Der Grund dafür ist, dass der datengetriebene Vertrieb das Unternehmen befähigt, Markt und Kunde genauer zu verstehen sowie schneller bessere Entscheidungen zu treffen.

1 Bundesverband Deutscher Unternehmensberatungen (2022): Facts & Figures zum Beratermarkt 2022.
2 Statista: Statistiken zu den Auswirkungen des Coronavirus auf die Wirtschaft, 2022.
3 KPMG, Prof. Dr. Rainer Elste: Digitalisierungsindex in Marketing und Vertrieb 2021.

Aktuell sind viele Vertriebsorganisationen nicht in der Lage, (Kunden-)Daten in geeigneter Weise zu verknüpfen, auszuwerten und entsprechende Maßnahmen abzuleiten. Es müssen die richtigen Variablen gewählt werden, die in Kombination Aussagen beziehungsweise Vorhersagen ermöglichen. Dabei spielt die smarte Verknüpfung interner und externer Daten im zukünftigen Vertrieb eine zentrale Rolle. Durch das Zusammenführen und Auswerten interner Daten (zum Beispiel aus Vertragsabschlüssen oder Transaktionsfrequenzen) mit externen Daten (zum Beispiel sozio-ökonomischen Daten oder Social-Media-Daten) werden zusätzliche Informationen über das Kundenverhalten gewonnen. Datengesteuerte Vertriebsteams sind somit in der Lage, potenzielle und bestehende Kundenstrukturen gezielt zu identifizieren und dadurch das bestehende Umsatzpotenzial zu steigern.

Für die Vertriebsteams bedeutet dieser Wechsel vom klassischen zum datengetriebenen Vertrieb, dass ein Großteil der Vertriebsprozesse und -praktiken angepasst werden muss. Dies kann nicht ohne ein angemessenes und umfangreiches Change Management geschehen. Der Vertriebler der Zukunft muss befähigt werden, sich verstärkt auf das Generieren von Kunden-Insights, die strategische Beratung sowie Business Development zu fokussieren. Dabei muss dem Vertriebsmitarbeitenden ermöglicht werden, die aus der Analyse gewonnenen Erkenntnisse zu verstehen. Digitale Lösungen werden die heutigen Vertriebsmitarbeitenden in Zukunft nicht ersetzen, aber sie helfen ihnen dabei, den Kunden und dessen Endkunden besser zu verstehen, diesen effektiver zu bearbeiten, mehr Lead zu identifizieren und das bestehende Umsatzpotenzial zu steigern. Insofern geht es nicht um die Frage, ob sich Vertriebsorganisationen in Zukunft mit den Möglichkeiten des datengetriebenen Vertriebs auseinandersetzen, sondern nur, wann sie sich die neuen Möglichkeiten zunutze machen.

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Vorgehensmodell für den datengetriebenen Vertrieb

Um Werte aus Daten zu schaffen und die Vertriebsmaßnahmen entsprechend anzupassen, gibt es unterschiedliche Handlungsfelder, die bearbeitet werden müssen. KPMG hat einen Framework entwickelt, der einen ganzheitlichen Blick auf diese Transformation wirft (siehe Abbildung). Auf Basis von Erfahrungen und Studienergebnissen zeichnen sich zehn Wirkungsfelder ab. Diese beschreiben die nötigen Veränderungen aus strategischer, organisatorischer und prozessualer Perspektive, die auch in der Unternehmenskultur hin zum datengetriebenen Vertrieb verankert sein müssen.

Zehn Handlungsfelder auf dem Weg zum datengetriebenen Vertrieb

Zunächst setzt eine erfolgreiche Transformation zur datengetriebenen Vertriebsorganisation eine konkrete Digitalstrategie voraus. Diese umfasst ein Zielbild und dessen Operationalisierung der digitalen Transformation in der Vertriebsorganisation. Hierbei definiert die Digitalstrategie die Stoßrichtung zur Verwirklichung der Unternehmensziele im digitalen Umfeld. Sie bildet die Klammer um die einzelnen Handlungsfelder.

Mittels der Datenstrategie wird Data-driven Thinking im Unternehmen verankert. Sie erfasst einen zielorientierten Verfahrensplan zur Befähigung des Unternehmens, Wissen aus Daten zu filtern, bestehende Geschäfte zu optimieren und neue Geschäftsmöglichkeiten zu erschließen.

Zudem ist die organisatorische Verankerung des Data Managements zu beachten. Zusammen mit der Data Governance sorgt es für klare Verantwortlichkeiten und etablierte Prozesse, bezogen auf unterschiedliche Datendomänen. In der Regel ist das nicht ausschließlich ein Vertriebsthema. Jedoch ist es vor allem im Vertrieb wichtig, klare Verantwortlichkeiten und Hoheiten über die Daten zusammen mit den anderen Bereichen im Unternehmen zu definieren, um eine gemeinsame Datenbasis zu etablieren. Konkret gefragt: Wer ist in der Organisation beispielsweise für die Erfassung und Qualität der Kundendaten verantwortlich?

Mit dem Data Asset Management und dem Datenkatalog ist es möglich, Datenflüsse durch das Unternehmen, über Systemgrenzen hinweg zu verfolgen. Wichtig hierbei ist, dass die Erfassung möglichst automatisiert durch standardisierte Schnittstellen erfolgt und eine manuelle Bearbeitung vor allem in einer Plausibilisierung besteht. Diese Funktion fällt normalerweise in den IT-Bereich. Jedoch bedarf es der Unterstützung des Vertriebs, damit die relevanten Vertriebs- und Kundendaten korrekt interpretiert werden. Hier stellt sich die Frage: Wissen wir, in welchen unterschiedlichen Systemen welche Kundendaten (Adresse, letzte Bestellungen, Hotline-Anfragen und andere) vorhanden sind?

Das Compliance Management stellt sicher, dass auf den unterschiedlichen Ebenen der Datenverarbeitung die Daten gesetzeskonform verarbeitet, gespeichert und gelöscht werden. Dabei sind die rechtlichen Herausforderungen im Management von Kundendaten besonders zu beachten. Hier wird auch bestimmt, wer im Unternehmen welche Kundendaten zu welchem Zweck einsehen und nutzen darf.

Das Master Data Management (MDM) stellt die einheitliche Pflege, Plausibilitätsprüfung und regelmäßige Bereinigung der Stammdaten sicher. Dadurch wird für den Vertrieb gewährleistet, dass die verfügbaren Daten korrekt, vollständig, verlässlich und aktuell sind. Hier gilt das Prinzip: eine Version der Wahrheit. Klassischerweise sind die Vertriebsmitarbei- tenden zu Beginn in den Stammdatenprozessen operativ in die Datenpflege involviert. Durch moderne Automatisierungs- lösungen können sie jedoch immer mehr von dieser oft mühsamen Aufgabe entlastet werden.

Im Wirkungsfeld Qualitätsmanagement geht es um die messbare Qualität der Daten. Sind die vorliegenden Daten im Vertrieb verfügbar, aktuell, redundanzfrei, vollständig und konsistent? Wie verlässlich sind sie als Basis für die Steuerung der Prozesse und als Entscheidungsgrundlage? Mithilfe von definierten Kennzahlen und Messgrößen lässt sich die Datenqualität kontinuierlich bewerten und überwachen.

Ein Datenmarktplatz mit integriertem Zugriffsmanagement ermöglicht es Datenwissenschaftlern und anderen analysierenden Personen, auf bereinigte und strukturierte Daten zuzugreifen. Ähnlich wie auf einem Online-Marktplatz ermöglicht es der Datenmarktplatz, diese Datenpakete einfach zu beziehen. Dem Vertrieb eröffnet sich hierdurch die Möglichkeit, spezifische Daten aus verschiedenen internen wie externen Datenquellen bedarfsgerecht zu kombinieren. Somit können multivariate Datenanalysen für ein besseres Verständnis der Kundenbedürfnisse oder auch prädiktive Nachfragemodelle nahezu ad hoc aufgesetzt werden.

Der Bereich Datenanforderung ermöglicht Mitarbeitenden das Einbringen ihrer Ideen und Verbesserungsmöglichkeiten. Hierbei sollten bereits erste Prüfmechanismen wie die Verfügbarkeit von Daten und der erwartete Nutzen abgefragt werden. Dabei muss immer die Frage gestellt werden, welcher Nutzen mit dem Anwendungsfall (Use Case) geschaffen werden sollte und welche internen Prozesse dadurch angepasst werden. Der Vertriebsmitarbeitende ist hier Initiator und Ideengeber.

Das Handlungsfeld Datenarchitektur beschreibt die technologische Seite des Datenmanagements. Es umfasst sämtliche Systeme und Schnittstellen, die für ein datengetriebenes Unternehmen wichtig sind. Die Hauptverantwortung für diesen Bereich liegt bei der IT-Abteilung. Sie stellt die Verfügbarkeit der Systeme sicher und arbeitet mit dem Vertriebsbereich Hand in Hand.

Als letztes Wirkungsfeld ist die Datenkultur zu beachten. Um Veränderungen herbeizuführen, müssen Vertriebsmitarbeitende die Situation und den Änderungsdruck verstehen sowie auf ihre neue Rolle vorbereitet und befähigt werden. Dabei muss auf das jeweilige Informationsbedürfnis eingegangen werden. Es bedarf einer zielgerichteten Herangehensweise, um ein gemeinsames Verständnis für Daten hin zu einer unternehmensweiten Datenkultur zu schaffen.

Die Wandlung zum datengetriebenen Vertrieb muss maßgeschneidert sein

Mit einem professionell umgesetzten Transformationsansatz können sich Unternehmen zu einer datengetriebenen Vertriebsorganisation entwickeln. Dafür muss jedes der beschriebenen zehn Wirkungsfelder betrachtet und ein unter nehmensindividueller Fahrplan erarbeitet werden, der die unternehmensspezifischen Pain Points und Fähigkeiten sowie branchenspezifischen Trends und Marktentwicklungen berücksichtigt. Eine übergreifende Digitalstrategie und der Change-Ansatz hin zu einer Datenkultur bilden dabei die Klammer. Damit dies gelingt und der Vertrieb datengetrieben und zukunftssicher wird, muss abteilungsübergreifend zusammengearbeitet werden. Denn ein datengetriebener Vertrieb gelingt nur in einer datengetriebenen Organisation.

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