BCG-Thinktank-Studie: Generative KI im Consulting – Fluch und Segen zugleich?

18.10.2023 – Mindelheim

Künstliche Intelligenz (KI) ist mächtig – und sie sorgt gerade im Consulting-Markt für rege Diskussionen. Es ist eine Aufbruchstimmung spürbar, weil die immensen Möglichkeiten erkannt werden. Große Strategieberatungen bringen sich weltweit in Stellung: Accenture, Capgemini, Bain – sie alle rüsten sich mit Milliardeninvestitionen oder neuen Kooperationen für das big business mit dem Zukunftsthema artificial intelligence (AI). Aber auch innerhalb der eigenen Organisation beschäftigt Künstliche Intelligenz die Consulting-Unternehmen, verspricht sie den Beratern doch einen Zugewinn an Effizienz und Kreativität in ihrem daily business. Aber: Erfüllt KI diese Erwartungshaltung der Consultants tatsächlich?

BCG Thinktank experimentiert mit 750 BCG-Beratern Einsatz von KI

Das BCG Henderson Institute (BHI), der Thinktank der internationalen Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG), ging dieser Frage in einem weltweit erstmalig so durchgeführten Experiment nach. In Zusammenarbeit mit der Harvard Business School, der MIT Sloan School of Management, der Wharton School, der University of Pennsylvania und der University of Warwick führte das Institut eine Studie zur Nutzung von KI in einem beruflichen Service-Setting durch. 750 BCG-Berater weltweit testeten in einem Selbstversuch, wie sich der Einsatz generativer KI auf ihre alltäglichen Aufgaben auswirkt.

Foto: stock.adobe.com/lassedesignen

Künstliche Intelligenz: Je nach Aufgabenstellung starke oder schwache Leistung

Spannende Erkenntnis: Künstliche Intelligenz ist ein zweischneidiges Schwert, wie auch BCG-Chef Michael Brigl laut Handelsblatt Schlüsse aus der Studie zieht. Weshalb?

Beim Einsatz von generativer KI (im Experiment von BHI war das GPT-4 von OpenAI) für kreative Ideenfindung verbesserten rund 90 Prozent der Teilnehmer ihre Leistung. Das Ergebnis war dann am besten, wenn sie nicht versuchten, den Output von GPT-4 zu bearbeiten. Gleichzeitig erreichten die Teilnehmer ein Leistungsniveau, das 40 Prozent über der Vergleichsgruppe lag, die ohne GPT-4 arbeiteten. Die Performance-Steigerung mittels GenAI war also enorm. Dies galt allerdings nur, solange die Kompetenzgrenzen von GPT-4 nicht überschritten wurden.

Als die Teilnehmer hingegen KI zur Lösung von Business-Problemen einsetzten – eine Fähigkeit, die außerhalb der Kompetenzen der Technologie liegt -, schnitten sie 23 Prozent schlechter ab als diejenigen, die die Aufgabe ohne GPT-4 lösten. Selbst Teilnehmer, die vor der Möglichkeit falscher Antworten durch das Tool gewarnt wurden, stellten die Ergebnisse nicht in Frage, sondern nahmen sie für bare Münze.

Das BCG Henderson Institute beschreibt diese Ergebnisse (bei tiefergehendem Interesse hier ausführlich nachzulesen) als Paradoxon: Die Anwender von KI scheinen der Technologie in Bereichen zu misstrauen, in denen sie einen enormen Wertbeitrag leisten kann. In Bereichen hingegen, in denen GenAI nicht kompetent ist, scheinen sie ihr zu sehr zu vertrauen. Oder in anderen Worten: Die neue Technologie verbessert die Kreativleistung mehr als erwartet, bei analytischen Problemlösungsfindungen hingegen funktioniert sie schlechter als erwartet.

Change Management und Führungskräfte sind gefordert: KI wo einsetzen?

Welches Learning ergibt sich daraus für das Führungsteam eines Unternehmens – nicht nur in Consultingfirmen, sondern auch in einer Vielzahl anderer Branchen im Bereich Professional Services? Jedes Topmanagement, jede Führungskraft, wird zu entscheiden haben, wie und in welchen Bereichen die generative KI eingesetzt wird. Für das Change Management ist die Einführung von GenAI eine riesige Aufgabe. Fakt ist, dass es für jede Tätigkeit, für jeden Job ein Spektrum gibt, in dem KI die Leistung verbessern kann, aber auch Felder, wo der Einsatz von KI in eine Sackgasse führt. Selbst wenn diese Bereiche umgangen werden, ist es wichtig, sich eines bewusst zu werden: Die BHI-Studie ergab auch, dass der relativ einheitliche Output der Technologie die Ideenvielfalt einer Gruppe um mehr als 41 Prozent verringern kann.

Generative KI wird vieles von dem, was wir tun und wie wir es tun, maßgeblich verändern. Das Ausmaß ist aktuell nicht absehbar, zumal die Kompetenzgrenzen von GenAI sich kontinuierlich verschieben werden. Der Erfolg im Zeitalter der KI wird weitgehend von der Fähigkeit eines Unternehmens – nicht nur der Beratungshäuser – abhängen, schneller als je zuvor zu lernen und sich zu verändern. Wie Lünendonk-Geschäftsführer Jörg Hossenfelder in seiner neuesten Kolumne auf consulting.de feststellt lautet die Devise der Stunde: Nicht den Anschluss verlieren.

Themen & Trends

Aktuelles

Ansprechpartner

Jörg Hossenfelder

Managementberatung,
Wirtschaftsprüfung