Kundendaten gibt es nicht geschenkt – Ein Fachbeitrag von adesso

Vollständige, konsistente und aussagekräftige Kundendaten sind die Voraussetzung für konversionsstarke und begeisternde Kundenerlebnisse an allen Kontaktpunkten in der Customer Journey. Eigene Kundendaten werden somit immer essenzieller für den Unternehmenserfolg. Denn nur wer seine Kundinnen und Kunden versteht und ihre Bedürfnisse genau kennt, kann sie mit den passenden Maßnahmen in den Mittelpunkt des unternehmerischen Handelns stellen.

Thomas Reimer, Bereichsleiter Customer Experience Management (CXM) bei adesso, berichtet im Fachbeitrag, wie Kundendaten generiert und genutzt werden können, um ein konsistentes Kundenerlebnis zu schaffen.

02.02.2023

Thomas Reimer Adesso

Thomas Reimer

Bereichsleiter Customer Experience Management (CXM),
adesso SE

Kundendaten gibt es nicht geschenkt, denn Kundinnen und Kunden erwarten immer einen Gegenwert für das Teilen ihrer Daten – insbesondere wenn diese nicht zwingend für eine Transaktion wie Kauf oder Serviceanfrage erforderlich sind.

Die Notwendigkeit, eigene First-Party-Kundendaten zu generieren, hat sich durch die drastischen Einschränkungen im Bereich Third-Party-Cookies noch weiter verstärkt. Denn zielgruppenspezifische Werbung und effektives Retargeting werden zukünftig ohne First-Party-Kundendaten nahezu unmöglich.

Die Bereitschaft zum Teilen von Daten wird allerdings durch umfangreiche Datenschutzanforderungen wie DSGVO und Skandale à la Facebook und Cambridge Analytica reglementiert und gebremst.

Für die Lösung dieser Herausforderungen gibt es mehrere Konzepte und Lösungsbausteine wie Customer Identity Management, Progressive Profiling, Loyalty Management und Customer Intelligence. Aus diesen einzelnen Lösungen entsteht ein vollständiger Customer Data Hub, mit dem sämtliche Aspekte eines zentralen Kundendatenmanagements abgedeckt werden können.

Das Referenzmodell Customer Data Hub (CDH) von adesso baut Schritt für Schritt das Fundament für konversionsstarke Customer Journeys. Dazu gehören Kundenidentitäten, Kundenprofile, Präferenzen und Einwilligungen ebenso wie integrierte, harmonisierte und validierte Kundendaten aus allen relevanten Quellen. Der CDH wird dann im nächsten Schritt um Scores und Next Best Actions angereichert, die dann kanalübergreifend operationalisiert und aktiviert werden.

Das Ziel der umfangreichen Sammlung und Bündelung von Kundendaten muss dabei stets im Einklang mit den rechtlichen Rahmenbedingungen wie der DSGVO erfolgen. Das gelingt am besten, wenn den individuellen Rechten der Kundinnen und Kunden durch hohe Transparenz und Selbstkontrolle begegnet wird.

Dadurch erhält der Kunde kontrollierten Zugriff auf seine Daten und steuert damit selbstständig Aspekte wie Korrektheit, Vollständigkeit, Einwilligung, Widerspruch und Löschung. Gleichzeitig kann bei jedem identifizierten Kontakt ein personalisiertes Tracking der Kontaktpunkte erfolgen.

Die so gewonnenen Kundendaten können und dürfen dann mit Einwilligung verknüpft, analysiert und kanalübergreifend integriert und aktiviert werden. So entstehen wiederum konsistente Kundenerlebnisse an allen Kontaktpunkten.

KUNDEN BEHUTSAM KENNENLERNEN MIT PROGRESSIVE PROFILING

Progressive Profiling ist eine Methode, mit der Unternehmen durch eine langfristige Kundenbindung nach und nach relevante Informationen über ihre Kundinnen und Kunden sammeln, anstatt zu viele Daten auf einmal abzufragen und damit eher Ablehnung und Conversion-Abbrüche zu erzeugen. Beim Progressive Profiling erfolgt die sukzessive Erhebung möglichst aller persönlichen Daten, die für die Segmentierung der Kunden und die Auswertung der Response sinnvoll sind. Hierzu dienen etwa kompakte Umfragen und semantisch getaggte Tracking-Links.

Speziell im Lead Nurturing beinhaltet Progressive Profiling zudem die Fähigkeit eines Online-Formulars, identifizierten Besucherinnen und Besuchern zur weiteren Profilierung nur noch die Fragen zu stellen, die noch nicht gestellt oder beantwortet wurden. Typische Fragen zielen beispielsweise auf Name, Position, Branche oder Bedarf ab. Mit Progressive Profiling wird durch kürzere Formulare eine höhere Conversion Rate erzielt. Progressive Profiling ist somit ein effektives Instrument in der Lead-Generierung und wird durch die Marketing-Automation- und/oder eine Customer-Identity-and-Access-Management-(CIAM-)Lösung bereitgestellt.

KUNDENDATEN ALS TAUSCHGESCHÄFT VERSTEHEN UND GESTALTEN

Zunächst einmal haben Kundinnen und Kunden wenig bis keine Motivation, ihre Daten zu teilen: Es bedeutet zusätzlichen Zeitaufwand, bringt objektive und subjektive Datenschutzrisiken mit sich und steht häufig gar nicht im direkten Kontext mit dem aktuellen Touchpoint. Daraus lässt sich schnell erkennen, dass eine solche Motivation nur mit geeigneten Anreizen geschaffen werden kann. Das Teilen von eigenen Daten wird damit aber auch zwangsläufig zu einem Tauschgeschäft: Daten im Tausch gegen einen konkreten Anreiz. Loyalty-Programme und -Kampagnen sind ein effektives Anreizsystem, um Menschen zum Datenteilen zu motivieren. Gleichzeitig sind Loyalty-Programme natürlich mehr als das und können der zentrale Eckpfeiler der Kundenbindungsmaßnahmen mit klarer Ausrichtung am Kundenlebenswert sein.

Im Handel und allgemein in Unternehmen mit direkten, kommerziellen Kundenbeziehungen können Loyalty-Programme nahtlos in die Touchpoints und Transaktionen integriert werden. Produzenten und Herstellern, die bislang primär oder ausschließlich über Handelskanäle verkauft haben, bieten Loyalty-Programme sogar die vollkommen neue Möglichkeit, in den direkten Kontakt mit Endkonsumentinnen und konsumenten zu kommen. Denn bislang haben Produzenten ohne Direct-to-Consumer-(D2C-)Strategie wenig bis keinen Zugriff auf Daten ihrer eigentlichen Konsumentinnen und Konsumenten. Und D2C muss im ersten Schritt dann nicht zwangsläufig eine komplette Kauf-Journey über E-Commerce und Social Selling bedeuten, denn das geht häufig mit Kannibalisierungseffekten in den bestehenden Vertriebskanälen einher.

Ein intelligentes Loyalty-Programm kann der erste Schritt einer D2C-Strategie sein, indem nach einer erfolgten Kunden- und ggf. Produktregistrierung ein attraktives Anreizsystem angeboten wird. Durch die vielfältigen Möglichkeiten, Anreize in Customer Journeys und den Kundenlebenszyklus zu integrieren, können hierüber auch die bereits dargestellten Mechanismen zum Datentauschen wie Progressive Profiling vorgesehen werden.

Durch das Anreizsystem wird jedoch die Conversion Rate des Datentausches deutlich erhöht, da Kunden die Touchpoints möglichst immer mit Bezug zum Loyalty-Programm nutzen. Moderne Loyalty-Management-Lösungen bieten hierzu vielfältige Möglichkeiten, Earn- und Burn-Mechanismen von Loyalty-Programmen zu definieren und neben reinen Kauftransaktionen auch andere Touchpoint-Aktivitäten sowie Datenprofilierung zu incentivieren. Der Datentausch kann damit durchgängig in Customer Journeys stattfinden – vom Point of Sale über Mobile und Social Commerce und das kundenzentrierte Service-Center bis hin zu zukünftigen Erlebniswelten im Metaverse.

360°-KUNDENSICHT: DIE EINE SICHT AUF DEN KUNDEN

Das Konzept und die Notwendigkeit der 360°-Kundensicht existiert seit der ersten Generation von CRM-Systemen. Der Fokus lag dabei in der Vergangenheit stark auf der Integration von Kundenbestandssystemen mit einem kundenorientierten CRM-System in einem der funktionalen Silos Marketing, Vertrieb oder Kundenservice.

Für konsistente Kundenerlebnisse an allen Touchpoints im Zuge einer Omni-Channel-Strategie sind die Anforderungen an eine zentrale und übergreifende 360°-Kundensicht inzwischen aber deutlich gestiegen. Anwendungsfälle reichen nun von (Hyper-)Personalisierung über Programmatic Advertising, Next Best Action, Churn Prediction, Trigger Messaging bis hin zu Account-Based Marketing. Die Effektivität und der Uplift dieser Anwendungsfälle hängen maßgeblich von der Beschaffenheit der Kundendaten ab: Vollständigkeit, Konsistenz, Relevanz, Korrektheit sowie Wahrscheinlichkeit für Vorhersagewerte.

In der 360°-Kundensicht gilt es daher, alle relevanten Informationen zu einem Kunden oder einer Kundin zentral, kanalübergreifend und konsistent abzubilden. adesso nutzt dafür eigene, branchenspezifische Referenzmodelle, in denen Kundendaten in vier Kategorien erhoben und modelliert werden (vgl. Abb. 34):

  • Bestandsdaten werden per Integration aus vorhandenen IT-Systemen zusammengeführt, insbesondere aus ERP-, Subscription Management- und Geschäftspartnersystemen. Hierzu gehören vor allem Kernstammdaten und Transaktionsdaten.

  • CXM-Daten werden durch Anwendungen und Systeme der „Customer Experience & Relationship Management“-Domäne entlang der Customer Journeys und Touchpoints generiert und verwaltet. Hierzu gehören u. a. Profile, Präferenzen, Einwilligungen, Zufriedenheit, Loyalty-Programmdaten, Kampagnendaten, Tracking etc.

  • Externe Daten dienen zur Datenanreicherung aus Second- und Third-Party-Datenquellen, z. B. von Datenhändlern.

  • Analytische Daten werden aus der Verknüpfung von Bestands-, CXM- und externen Daten berechnet, von einfachen bis zu komplexen Scores und Vorhersagen. Diese analytischen Ergebnisse wie Kundenwert, Scores, Propensity und Churn erweitern dann wiederum die 360°-Kundensicht für die weitere Aktivierung und Personalisierung.

CUSTOMER EXPERIENCE MANAGEMENT (CXM) -REFERENZARCHITEKTUR

In der Referenzarchitektur für Customer Experience Management (CXM) werden die fachlichen Fähigkeiten und Use Cases für konsistente Kundenerlebnisse an allen Touchpoints in die erforderlichen technischen Fähigkeiten übersetzt (vgl. Abb. 35).

Das Fundament der Architektur bildet der Customer Data Hub (CDH) als zentraler Träger der 360°-Kundensicht. Der CDH setzt sich aus folgenden Bestandteilen zusammen:

  • Der operative CDH verwaltet unternehmensweit den Golden Record der Kundendaten als sog. Single Source of Truth. Dazu gehören Fähigkeiten wie Master Data Management, Data Quality Management und Data Governance.

  • Der analytischer CDH dient zur Analyse und Anreicherung der Kundendaten (auch „Customer Intelligence“ genannt) mit Big Data, Analytics und KI-Technologien.

  • Die Consent and Preference Management Platform (CMP) bietet Kunden Transparenz und eigenständige Kontrolle über ihre personenbezogenen Daten, wodurch auch die Datenschutzanforderungen wie DSGVO erfüllt werden.

  • Eine „Customer Identity and Access Management“-Lösung bietet Authentifizierung und Profilierung für zentrale und umfassende Kundenprofile im kundenseitigen Self-Service an.

Mit diesem starken Fundament zentraler, harmonisierter und angereicherter Kundendaten können dann kanalübergreifende Kundenerlebnisse realisiert werden. Automatisierte Customer Journeys wie Trigger- oder Push-Kampagnen basieren auf dem 360°-Kundendatenmodell und steuern die Regeln der Personalisierung innerhalb der Kampagnenlogik. Besonders wertvoll sind hier intelligente Scores wie Up-Sell Propensity, Churn Score, Customer Satisfaction Score, Lifetime Events etc. Diese steigern nachweislich die Conversion Rate und den Customer Lifetime Value.

Zwischen den diversen Touchpoints und Kanälen sorgt das Touchpoint Management für eine konsistente und kanalübergreifende Personalisierung. Hierzu werden wiederum auf der Basis der 360°-Kundendaten die Persona-spezifischen Inhalte ausgespielt, um zum Beispiel Push-Marketing oder App- und Onsite-Personalisierung zu ermöglichen. Das kanalübergreifende Touchpoint-Tracking erfasst sämtliche Kundeninteraktionen und ordnet diese einem Kundenprofil und der zugehörigen 360°-Sicht zu. Der massive Bedarf von Unternehmen nahezu sämtlicher Branchen an der Umsetzung einer 360°-Kundensicht und kanalübergreifender Personalisierung hat seit einigen Jahren zur Entstehung einer neuen Produktkategorie geführt: der Customer Data Platform (CDP). Eine CDP kombiniert typischerweise einige oder mehrere Fähigkeiten des CDH zur Datenharmonisierung, Datenanreicherung und Segmentierung. Die Produktkategorie CDP ist allerdings nicht einheitlich definiert und ausgeprägt, sodass häufig auch Fähigkeiten aus den Bereichen Customer-Journey-Automatisierung, Personalisierung und Tracking hinzukommen.

FAZIT

Kundendaten sind der Dreh- und Angelpunkt konsistenter Kundenerlebnisse an allen Touchpoints, die nachhaltig den Kundenwert steigern. Daher ist Customer Data Management bzw. Kundendatenmanagement eine Kerndisziplin erfolgreicher Customer Experience Management-Programme und -Projekte. Customer Data Management beinhaltet eine stringente First-Party-Kundendatenstrategie, die Datensammeln und Datenschutz in Einklang bringt und dafür den Kunden in den Mittelpunkt stellt. Technologien wie CIAM, CMP, CDP und Loyalty Management liefern dafür das technische Fundament, ersetzen aber nicht das fachliche Konzept dafür.

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