13.05.2024 – Mindelheim
Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit hat die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY Deutschland ihre interne Organisation neugeordnet und die Rechtsform angepasst. Nachdem EY hierzulande über Jahrzehnte als GmbH firmierte, tritt sie nun seit 1. Februar 2024 als Kommanditgesellschaft (KG) auf. Durch die Umstrukturierung in rechtlich selbstständige Einheiten sind die Geschäftsbereiche Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Unternehmensberatung sowie Strategie- und Transaktionsberatung künftig stärker voneinander getrennt.
Neue Rechtsform bringt Vorteile in der Haftung
Haftungsrechtlich werden die einzelnen Geschäftsbereiche nun separat betrachtet. Das bringt vor allem bei künftigen Rechtsfällen Vorteile in der Haftung, denn dann wäre nur die betroffene Geschäftseinheit belangbar. Umstritten ist, wie es sich bei „Altlasten“ wie Wirecard verhält. Kritiker werfen EY vor, sich angesichts des voraussichtlich langwierigen Wirecard-Verfahrens der vollen Haftung für Schadensersatzansprüchen entziehen zu wollen. Nach Ablauf von Verjährungsfristen könnten die einzelnen Sparten gegebenenfalls nicht mehr haftbar gemacht werden, so die Befürchtung. EY weist diese Vorwürfe zurück, und tatsächlich gibt es für EY andere gute Gründe für die stärkere Trennung der Geschäftsbereiche.
EY Deutschland gerüstet für mögliche globale Trennung von Prüfung und Beratung
Mit der Neuordnung kann EY die deutlich unterschiedlichen regulatorischen Anforderungen und Vorgaben an Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung und Consulting besser abbilden. Dieser Schritt ist in der Branche nicht neu. So hat Deloitte als weiteres Big-Four-Haus bereits vor einiger Zeit seine Geschäftsbereiche rechtlich auf eigene Beine gestellt. Eine große Rolle dürfte bei EY auch weiterhin die Option der weltweiten Trennung von Prüfung und Beratung in zwei voneinander unabhängige Unternehmen spielen. Zwar wurde das sogenannte Projekt Everest nach internen Unstimmigkeiten vor gut einem Jahr gestoppt, und auch die schwache Weltkonjunktur dürfte als kein guter Zeitpunkt für einen Börsengang der Consulting-Sparte erachtet worden sein. Ganz ad acta gelegt wurden die Trennungspläne jedoch nie, schließlich ist an dem großen Pluspunkt einer Abspaltung – nämlich ohne Rücksicht auf die Regularien Mandaten gleichzeitig prüfen und beraten zu können – nicht zu rütteln. Es bleibt abzuwarten, ob die künftige EY-Chefin Janet Truncale, die zum 1. Juli 2024 die Nachfolge von Carmine Di Sibio übernimmt, das Thema Aufspaltung wieder angehen wird.
Fakt ist: Sollten das Projekt Everest und die globale Trennung von Prüfung und Beratung bei EY wiederbelebt werden, könnte die Deutschland-Gesellschaft mit der neuen Rechtsform die Pläne sicher schneller umsetzen.
EY nimmt Apas-Urteil an – und ist mit zahlreichen Klagen konfrontiert
Nach der gesellschaftsrechtlichen Neustrukturierung hat EY Deutschland nun Ende März auch das von der Abschlussprüferaufsichtsstelle Apas verhängte Urteil im Zusammenhang mit dem Wirecard-Bilanzbetrugsskandal akzeptiert. Die Strafe trat unmittelbar in Kraft – EY muss eine Geldbuße von 500.000 Euro bezahlen und darf zwei Jahre lang keine neuen Mandate börsennotierter Unternehmen annehmen. Vor allem letzteres klingt hart, dürfte für EY jedoch nicht allzu sehr ins Gewicht fallen. Tatsächlich stehen in den kommenden zwei Jahren nur vereinzelt Prüfmandate zur Neuvergabe an, und die nächste obligatorische Rotationsrunde bei den Dax-Konzernen startet erst 2027/28.
Statt mit Mandatsakquise im Dax ist EY Deutschland indes weiterhin mit zahlreichen Klagen beschäftigt. Allein 2023 wurden im Zuge des Wirecard-Prozess mehr als 4.300 neue Klagen Landgericht München eingereicht, was nahezu einer Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr entspricht. Dabei handelt es sich überwiegend um Klagen gegen EY. Darunter fällt auch die Sammelklage der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), die die Forderungen von mehr als 13.000 Wirecard-Investoren bündelt. Doch damit nicht genug: Nach Angaben des Handelsblatts erwägen mehrere Anleger-Kanzleien, nun gegen die rechtliche Neuaufstellung von EY Klage zu erheben, weil sie dadurch erschwerte Rahmenbedingungen sehen, um Schadensersatzansprüche in der Causa Wirecard durchzusetzen.
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Jörg Hossenfelder
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