Wassermanagement als Notwendigkeit und Chance

iStock/tuachanwatthana/Fakten+Köpfe/Handbuch Consulting 2025

Torsten Henzelmann

ist Partner und Managing Director bei Roland Berger. Der Technologiespezialist leitet unter anderem Beratungsteams in den Bereichen Civil Economics, Infrastructure, Transportation sowie Energy & Utilities.

Bill Malarkey

ist Partner bei Roland Berger und Experte für Strategieentwicklung, Beratung und M&A im Bereich Wasser/Abwasser. Mit der globalen Water Practice Group arbeitet er an der Lösung kritischer Wasserprobleme.

Die vergangenen Sommer haben mit Dürren in Europa, China, den USA und anderen Ländern gezeigt, dass auch vermeintlich ausreichend mit Wasser gesegnete Regionen zunehmend mit Phasen extremer Trockenheit konfrontiert sind. Mittlerweile ist rund die Hälfte der Weltbevölkerung zumindest einen Teil des Jahres von Wassermangel betroffen. Mit der fortschreitenden Klimaerwärmung und weiterem Bevölkerungswachstum wird sich das Problem weiter verschärfen. Denn das Klima ist entscheidend dafür, wo wann wie viel Wasser vorhanden ist, und seine Veränderungen wirken sich bereits deutlich aus.

Neben der Dekarbonisierung, um den Klimawandel zu bremsen, rückt daher zunehmend die Klimaanpassung ins Blickfeld von Politik, Unternehmen und Gesellschaft. Im Zentrum steht dabei das Wasser, da hier Klimaauswirkungen besonders offensichtlich und massiv sind: So zeigen Analysen von Versicherungsdaten, dass voraussichtlich mehr als zwei Drittel der gesamten durch den Klimawandel verursachten finanziellen Schäden mit dem Wasserkreislauf im Zusammenhang stehen werden – von Dürren über Starkregen mit Überschwemmungen bis hin zu einer verschlechterten Wasserqualität.

Kaum ein Produktionsprozess kommt ohne Wasser aus

Neben dem lebensnotwendigen Trinkwasser ist auch die Versorgung anderer Lebens- und Wirtschaftsbereiche betroffen: Kaum ein Produktionsprozess auf unserem Planeten kommt ohne Wasser aus – von der Landwirtschaft über die Lebensmittelverarbeitung bis zur Herstellung von Gütern wie Halbleitern, Solarzellen oder Batterien, die für die Transformation zu einer dekarbonisierten Welt unverzichtbar sind. Insofern wirken sich Probleme mit der Wasserversorgung stärker denn je auch wirtschaftlich aus.

Vorübergehender Wassermangel kann zu Produktionseinschränkungen führen und so Gewinnspannen schmälern. Regelmäßige Trockenphasen können ganze Regionen als (potenzielle) Produktionsstandorte ausfallen lassen. Besonders betroffen sind wasserintensive Branchen wie etwa der Bergbau und die Energiewirtschaft, das verarbeitende Gewerbe sowie die Chemie-, Konsumgüter- oder Mikroelektronikindustrie. Aber auch Unternehmen aus der Lebensmittel- und Getränkeindustrie oder der Textilbranche sind vor allem über ihre Lieferketten einem hohen Wasserrisiko ausgesetzt. Zumal die Nachfrage nach industrieller und landwirtschaftlicher Wassernutzung immer häufiger mit dem Bedarf einer wachsenden Bevölkerung konkurriert.

Dabei wird neben tatsächlicher Wasserknappheit, die medial meist große Aufmerksamkeit erfährt, in vielen Regionen eine verschlechterte Wasserqualität zum Problem. Dass immer noch die Hälfte der weltweiten Abwässer ungeklärt in Flüsse und Meere fließt, ist dabei fatal, zumal steigende Temperaturen die Folgen verschärfen – man denke nur an die immer häufiger auftretenden sommerlichen Algenblüten.

Immer mehr Unternehmen sehen Risiken für ihr Geschäft

Positiv ist allerdings, dass das Thema Wasser in der Nachhaltigkeitsdebatte immer mehr Aufmerksamkeit erfährt. Auch die Unternehmen werden sich zunehmend seiner kritischen Bedeutung bewusst. Allerdings gehen die meisten, abgesehen von einigen Vorreitern, bisher sehr reaktiv damit um: Sie befassen sich erst mit Wasser, wenn es zum Problem wird. Und dies, obwohl mehr als zwei Drittel der börsennotierten Unternehmen, die via Carbon Disclosure Project (CDP) Bericht erstatten, angeben, dass sie Wasserrisiken ausgesetzt sind, die sich substanziell auf ihre Geschäftstätigkeit auswirken könnten. Dadurch stehen laut CDP bis zu 225 Milliarden US-Dollar im Risiko.

Daraus kann man zwei Schlüsse ziehen: Zum einen müssen die politisch Verantwortlichen in den Regierungen, aber auch auf regionaler und kommunaler Ebene begreifen, dass Wasserressourcen vernünftig gemanagt und bewirtschaftet werden müssen. Nur so lässt sich bei steigender Nachfrage und gleichzeitig abnehmender oder zumindest stärker schwankender Verfügbarkeit und Qualität des Wassers die wirtschaftliche Entwicklung langfristig sicherstellen und gleichzeitig die öffentliche Gesundheit und der soziale Frieden erhalten.

Zum anderen müssen Führungskräfte in Unternehmen und Wirtschaftsverbänden erkennen und verstehen, dass die Verfügbarkeit von Wasser und der Umgang damit kritische Faktoren sind, die sich unmittelbar auf ihr Geschäftsergebnis und ihre »Licence to operate« auswirken. Dazu gehört über den unmittelbaren Wasserbedarf des Unternehmens hinaus auch sein indirekter Wasserfußabdruck, vor allem in der Lieferkette. Auch hierzu eine Zahl von CDP: Im United Nations World Water Development Report 2024 gibt jedes fünfte Unternehmen an, dass es in seiner Lieferkette Wasserrisiken mit potenziell gravierenden Auswirkungen auf das Geschäft identifiziert hat. »Jedes Fünfte«, das liest sich zunächst undramatisch; das heißt aber nicht, dass die anderen 80 Prozent keine Risiken haben. Es zeigt lediglich, dass viele Unternehmen sich bisher nicht mit dem Thema befasst haben.

Wasserrisiken sind komplex und nur für jeden Fall einzeln zu bestimmen

Immer mehr Unternehmen erkennen die Notwendigkeit, Wasser als strategischen Faktor zu betrachten und robuste und nachhaltige Strategien für seine Nutzung zu entwickeln, wie die Beratungsnachfrage zeigt. Die Bandbreite der Projekte reicht von der grundlegenden Erfassung und Analyse der jeweiligen Wasserrisiken über deren Gewichtung bis hin zur Entwicklung von Konzepten für Wassermanagement und der Ausarbeitung konkreter Maßnahmen.

Dabei müssen Wasserrisiken immer mit Blick auf den jeweiligen Kontext bewertet werden – sowohl in Bezug auf die regionalen geografischen Voraussetzungen als auch auf die regulatorischen Rahmenbedingungen. Berücksichtigt man verschiedene Standorte eines Unternehmens und dessen Lieferkette, dann steigen Anzahl und Schwere der wasserbezogenen Risiken erheblich. Auch die Komplexität ihrer Erfassung nimmt erheblich zu, wie das Beispiel eines Maschinenherstellers mit über 19.000 Mitarbeitern und mehr als 50 Standorten weltweit verdeutlicht: Das Unternehmen wollte besser verstehen, wie sich Wasserrisiken auf seinen Betrieb und sein künftiges Wachstum auswirken könnten, und Strategien für deren Management entwickeln. Um die nötigen Daten und Fakten zu ermitteln, analysierten wir unter anderem sämtliche Betriebsstandorte mit ihren hydrologischen und regulatorischen Rahmenbedingungen, um diejenigen mit dem höchsten Risiko zu ermitteln. Dabei berücksichtigten wir nicht nur physische Risikofaktoren wie Wasserversorgung und -qualität, Überschwemmungen und Dürren, sondern auch Risiken in den Bereichen Infrastruktur, Governance, Regulierung und Reputation. Am Ende erhielt das Unternehmen einen Überblick über Art, Wahrscheinlichkeit und Schwere seiner Risiken sowie einen Plan für kurzfristige und längerfristige Maßnahmen zu deren Management.

Chancen für Vorreiter

Trotz aller objektiv bestehenden Risiken darf Wasser aber nicht ausschließlich aus der Krisenperspektive betrachtet werden. Vielmehr ergeben sich für Unternehmen, die das Thema Wasserbewirtschaftung offensiv angehen, den Wandel in ihrer Branche anführen und die Widerstandsfähigkeit ihres Unternehmens gegenüber Markt- und Klimaveränderungen erhöhen, erhebliche Vorteile. Eine Vorreiterrolle beim Thema Wasser fördert das Umdenken in allen Betriebsbereichen bis hin zu bestimmten Kundensegmenten und bietet die Chance auf Differenzierung und Führung im Wettbewerb.

Zudem ermöglichen Projekte wie das oben beschriebene nicht nur die Beherrschung von Risiken und die Minderung ihrer Folgen und potenzieller Kosten. Darüber hinaus schaffen sie die Voraussetzungen dafür, die Chancen zu nutzen, die ein effektives Wassermanagement für zukünftiges Wachstum und Innovation bietet. Laut dem Global Infrastructure Hub der G20-Staaten werden allein in die weltweite Wasserinfrastruktur zwischen 2016 und 2040 rund 6,4 Billionen US-Dollar investiert werden müssen – ein lukrativer Markt für Unternehmen, die Systeme und Lösungen für die Gewinnung, Aufbereitung und den Transport von Wasser entlang der gesamten Wertschöpfungskette liefern. Die zunehmende Knappheit der Ressource Wasser steigert darüber hinaus die Nachfrage nach einer breiten Palette an Technologien und Innovationen, mit denen sich etwa wassersparende Produktionsweisen oder eine effizientere Abwasserbehandlung realisieren lassen.

Das Thema Wasser ist nicht nur innerhalb der Grenzen eines Unternehmens komplex. Vielmehr steht es in direktem Zusammenhang mit vielen anderen Aspekten der Nachhaltigkeit, der öffentlichen Gesundheit, der biologischen Vielfalt und der Produktivität im Umfeld eines Unternehmens. Daraus ergibt sich, dass selbst bei vermeintlich innerbetrieblichen Wasserproblemen die Zusammenarbeit mit externen Interessengruppen unverzichtbar ist, um eine weitreichende und dauerhaft tragende Lösung zu finden. Damit ergeben sich häufig auch neue Möglichkeiten für lokale und regionale Kooperationen sowie die Rolle des Unternehmens als Corporate Citizen.

Insgesamt zeigen sich beim Thema Wasser sowohl für Unternehmen – vom Anbieter für Ausrüstung und Technologie über Versorger und Infrastrukturbetreiber bis hin zu industriellen Wassernutzern – als auch für Investoren und zivilgesellschaftliche Nutzer und Interessengruppen große Herausforderungen, aber eben auch spannende Möglichkeiten.

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