Reparieren statt recyceln?! Die Zukunft der Hochvoltspeicher

iStock/3alexd/Fakten+Köpfe/Handbuch Consulting 2025

Felix Feuerbach

ist Geschäftsführender Direktor von Kemény Boehme Consultants. Seit 2011 beschäftigt er sich mit Kreislaufwirtschaft, insbesondere dem Thema Remanufacturing.

In Elektrofahrzeugen ist die Batterie das zentrale Element und das mit Abstand teuerste Bauteil: Bis zu 60 Prozent der Herstellungskosten entfallen auf die Hochvoltspeicher, deren Produktion rund acht Tonnen CO₂ verursacht. Doch durch vorzeitige Alterung oder Defekte an Komponenten von Batterien lässt deren Leistung nach und beeinträchtigt den Gesamtzustand des Hochvoltspeichers, den sogenannten State of Health (SoH).

Nach heutiger Praxis werden die wertvollen, energieintensiv produzierten Hochvoltspeicher bei nachlassender Leistung häufig verschrottet. Der Austausch oder die Reparatur einzelner Komponenten könnte ein Weg sein, um gebrauchte Elektroautos attraktiver zu machen und um Kunden die Angst vor Batterieschäden zu nehmen. Bei den Generationen zukünftiger Hochvoltspeicher sollte daher viel mehr über Reparaturmöglichkeiten nachgedacht werden.

Reparatur statt Austausch: Den Lebenszyklus verlängern

Bei der Entwicklung neuer Speicher liegt der Fokus heute überwiegend auf Herstellungskosten, Energiedichte und Gewicht – nicht auf Austauschbarkeit von defekten Bauteilen. Dabei ist die Reparatur von Hochvoltspeichern durchaus wirtschaftlich, jedoch oft nicht möglich, da viele Batteriekonzepte im Zuge des Cell-to-Pack-Trends nicht vorsehen, dass das Speichergehäuse geöffnet werden kann.

Für eine effiziente Instandsetzung sind neben den richtigen Konzepten für Diagnose und Reparatur geschultes Personal und die Verfügbarkeit von Ersatzteilen Voraussetzung. Aber deren Verfügbarkeit über zehn Jahre der Lieferverpflichtung ist bei den heute vorherrschenden Bevorratungskonzepten, Lagermöglichkeiten und Bezugsquellen der Speicher gar nicht so ohne weiteres möglich – auch wenn dies eigentlich keine unlösbaren Herausforderungen sind.

Wertvolle Hochvoltspeicher enden oft im Straßenbelag

Zu häufig werden Batterien mit defekten oder degradierten Zellen recycelt, also verschrottet. An der Rückgewinnung der wertvollen Rohstoffe – unter anderem Kobalt, Lithium und seltene Erden – wird geforscht. Insgesamt sind die Prozesse bis heute aber nicht weit genug fortgeschritten. Von einer effektiven und effizienten Rückgewinnung der seltenen Rohstoffe aus Speichern, die fünf oder sechs Jahre alt sind, sind wir immer noch weit entfernt.

Bereits bei der Definition von Batterie-Recycling besteht oft Unklarheit. Entgegen der landläufigen Annahme, alle wertvollen Rohstoffe würden zurückgewonnen – wie etwa bei recyceltem Stahl aus alten Karosserien – werden Batteriekomponenten häufig einfach geschreddert und »thermisch entsorgt«. Die Reste werden beispielsweise dem Asphalt für neue Straßendecken beigemischt.

Autocraft Solutions Group Limited

Umdenken in der Branche notwendig

Es wird zwar viel an »Recycling-Themen« gearbeitet, beispielsweise an einer hochautomatisierten Demontage, jedoch entsteht der Eindruck, die Industrie habe das Thema Reparatur bereits beerdigt. Das birgt die Gefahr in sich, dass das Elektroauto seinen Ruf als umweltfreundliches Verkehrsmittel verliert.

Dabei haben es batteriebetriebene Fahrzeuge derzeit ohnehin schon schwer genug. Kaum ist die staatliche Förderung für Neuwagen gestrichen worden, brechen die Verkäufe ein. Auf dem Gebrauchtwagenmarkt sieht es nicht besser aus. Gründe dafür sind neben einer generellen Skepsis das geringe Vertrauen der Konsumenten in die Lebensdauer der Batterien und die hohen Preise für Austauschbatterien.

Der Preisverfall gebrauchter Elektrofahrzeuge ist extrem und schadet den Marken. Der Restwert eines Fahrzeugs steht meist in keinem Verhältnis zu den Kosten beim Austausch des Speichers. Wenn zukünftig keiner ein Fahrzeug kaufen mag, das älter als drei oder vier Jahre ist, wird es eng für Elektroautos.

Weniger recyceln, mehr reparieren

Dabei ist es erstaunlich, auf welche SoH-Level sich Speicher mit den richtigen Diagnose- und Reparaturprozessen heute schon heben lassen. Auch die Nutzung von alten Hochvoltakkus aus Fahrzeugen als sogenannte Second-Life-Energiespeicher, etwa für Solaranlagen von Eigenheimen oder Fabriken, ist womöglich nicht die beste Antwort, auch wenn dies neben dem Recycling bei allen Herstellern die gängige Strategie zu sein scheint.

Abgesehen vom Einsatz in den eigenen Fabriken, in denen auch eine sehr kurze Nutzung alter Speicher möglich sein kann, stellt sich die Frage, wer degradierte Speicher darüber hinaus abnehmen soll – zumal sich ein Überangebot abzeichnet. Auch wenn man alte Speicher aus Fahrzeugen lange weiterverwenden will, ist die Reparaturfähigkeit doch die Voraussetzung.

Wenn E-Mobilität nachhaltig funktionieren soll, muss die Frage lauten, wie man diesen Speicher, in dem so viel CO₂ und Investitionen stecken, möglichst lange nutzen kann, um dessen CO₂-Bilanz im Betrieb wieder auszugleichen. Es wird leider nicht immer bis zum Ende des Lifecycles und zu wenig an eine zeitwertgerechte Instandsetzung der E-Fahrzeuge gedacht. Daher lautet die Devise: weniger recyceln und mehr reparieren.

Autocraft Solutions Group Limited

Schlüssel für eine nachhaltige E-Mobilität

Der Schlüssel für den langfristigen Erfolg der E-Mobilität könnte also nicht nur im weiteren Ausbau der Ladeinfrastruktur, einer Erhöhung der Reichweite und Senkung der Kosten liegen, sondern auch im Umgang mit defekten Hochvoltspeichern. Insbesondere, wenn die flächendeckende Elektromobilität umweltfreundlich bleiben soll.

Auch wenn das Recycling der Batterien besser und effizienter werden wird, ist eine Reparatur im Kontext einer zeitwertgerechten Instandhaltung und der Nachhaltigkeit zweifelsohne die bessere Lösung. Eine höhere Integration der Speicher und die Erhöhung der Energiedichte sind bei der Bewältigung der Herausforderungen in Sachen Reichweite und Kosten notwendig. Die Hersteller sollten aber die Reparaturfähigkeit ihrer Produkte nicht gänzlich ignorieren.

Auch wenn die Robustheit der Speicher über die ersten Generationen deutlich zugenommen hat, prognostizieren erste Studien bis zu 350.000 defekte Speicher im Jahr 2033 alleine in der EU. Davon ausgehend tut die Industrie gut daran, sich besonders bei zukünftigen Speicherkonzepten stärker auf die Reparaturfähigkeit zu fokussieren. Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit der E-Mobilität stehen und fallen mit dem richtigen Umgang mit defekten Hochvoltspeichern.

Georg Huber

Senior Partner
Kemény Boehme Consultants

Warum benötigt die Automobilindustrie Transformationen im Bereich »E/E«?

Der Umfang von Elektrik/Elektronik (E/E) im Fahrzeug ist in den letzten Jahrzehnten in der Entwicklung immer wichtiger geworden. Gab es früher ein Radio, ein Motorsteuergerät und ein ABS, so reden wir heute von Infotainment mit Navigation in Echtzeit und von Assistenzsystemen für die Fahrsicherheit. In Zukunft werden Fahrzeuge weitgehend autonom unterwegs sein. Wir erleben dadurch eine massive Funktionsmehrung und Komplexitätssteigerung, die mit dem klassischen Setting nicht mehr beherrschbar sind. Technisch kann darauf beispielsweise mit der Integration von Funktionen auf weniger Steuergeräten reagiert werden. Dies alleine ersetzt allerdings nicht die notwendige Transformation im Unternehmen.

Vor welchen Herausforderungen stehen Unternehmen bei der E/E-Transformation?

Der klassische Fahrzeugbau ist eher in langfristigen Zyklen angelegt. Über die Lebensdauer gab es wenige Veränderungen, wenn man von einem Lifecycle Improvement (Facelift) nach drei oder vier Jahren absieht. Die Software-Entwicklung ist im Vergleich dazu eher agil und denkt in kürzeren Zyklen. Beides muss wie ein Uhrwerk zusammenarbeiten. Das ist insbesondere für jene, die die Gesamtfahrzeugentwicklung verantworten, eine Herkulesaufgabe.

Wie können Unternehmen auf den Veränderungsdruck reagieren?

Wichtig ist die Klärung, welche Ziele mit der Transformation erreicht werden sollen und welche Gegebenheiten herrschen. Zentraler Punkt dabei ist unter anderem der Grad der Komplexität der Produkte. Die Rahmenbedingungen sind beispielsweise für einen Multimarkenkonzern andere als für einen einzelnen Premium-OEM oder Truckhersteller. Bei der notwendigen Neuausrichtung von Prozessen – vom Anforderungsmanagement bis hin zu Freigabe, Technologien, Methoden und Kompetenzen – sollte man sich folgende Fragen stellen: Wo fange ich an? Mache ich alles gleichzeitig oder Schritt für Schritt? Wie viel Weitsprung traut sich eine Organisation zu und wie viel verkraftet sie? Wie viel Aufwand muss in begleitende Change-Maßnahmen investiert werden, um die Effekte dauerhaft in der Organisation zu verankern und Widerstände abzubauen

Blicken wir in die Zukunft: Wo steht die E/E-Transformation in fünf Jahren?

Veränderungen hin zum Software-Driven Development müssen bis dahin abgeschlossen sein. Spätestens dann wird es primär darum gehen müssen, effizienter zu werden. Wer mit seiner Transformation weit fortgeschritten ist, wird dann auch auf der Margenseite die Nase vorn haben.

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