Prüferrotation, Rekordumsätze, Projekt Everest: Bewegte Zeiten für die Big Four

07.12.2022 – Mindelheim

Die Wirtschaftsprüfung Deloitte soll nach dem Willen des Aufsichtsrats von RWE neuer Abschlussprüfer des Energieriesen werden. Für Deloitte wäre es das achte Mandat eines DAX-Konzerns – und eine weitere gute Nachricht für das Big-Four-Haus, nachdem Ende Oktober bereits BASF signalisiert hat, dass es seine Bilanzen künftig von Deloitte prüfen lassen möchte. Ein Prüferwechsel war nötig geworden, denn BASF lässt sich bereits seit 2006 von KPMG auditieren. Die strengeren Regeln des FISG-Gesetzes machen sich bemerkbar: Die nun in regelmäßigen Abständen vorgeschriebene Prüferrotation sorgt für zahlreiche Rochaden bei den Mandaten.

Deloitte wächst in Deutschland um satte 24 Prozent, auch PwC legt zu

Die Geschäfte laufen demnach gut bei Deloitte. Einen Beleg dafür liefern auch die Ende Oktober veröffentlichen Ergebnisse: Die viertgrößte deutsche Prüfungs- und Beratungsgesellschaft ist im vergangenen Geschäftsjahr 2021/22 um 24 Prozent gewachsen und verbucht einen Umsatz von 1,92 Milliarden Euro. Auch bei PwC brummt das Geschäft: Der Marktführer in Deutschland legte um rund 14 Prozent auf 2,61 Milliarden Euro zu. Die Deutschland-Zahlen der beiden weiteren Big-Four-Gesellschaften sind zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht veröffentlicht.

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Auch global laufen die Geschäfte der Wirtschaftsprüfer trotz unsicherer wirtschaftlicher Zeiten rund. Das Geschäft von Deloitte ist weltweit mit einem Plus von beeindruckenden 19,6 Prozent auf 59,3 Milliarden US-Dollar Jahresumsatz gewachsen. PwC legt ebenfalls zweistellig um 13,4 Prozent auf 50,3 Milliarden US-Dollar zu und durchbricht erstmals die Schallmauer von 50 Milliarden. Die globale Nummer drei im Bunde der Big Four, EY, erreicht mit einem Umsatzplus von 16,4 Prozent ein weltweites Ergebnis von insgesamt 45,4 Milliarden US-Dollar. KPMG wird seine Zahlen erst in Kürze veröffentlichen.

Trennung von Prüfung und Beratung: Wird EY profitieren?

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Spannend wird ein Ausblick auf die kommenden Jahre sein. Die derzeit angedachte Trennung des Prüfungs- und Beratungsgeschäfts von EY – Projekt Everest – dürfte den Markt kräftig aufmischen und die Positionierung der Big Four und ihres Verfolgerfelds verändern. Die Ankündigung von EY hat im September für einen Paukenschlag gesorgt. Noch ist die Abspaltung von Prüfung und Beratung nicht komplett beschlossene Sache, von einer Zustimmung durch alle weltweiten Partner ist derzeit jedoch auszugehen. Doch was verspricht sich EY von dem Schritt? Was sind die Risiken? Und wie werden die anderen Big-Four-Gesellschaften reagieren?

Klar ist: EY erhofft sich durch die Trennung Wachstumschancen für das Prüfgeschäft. Seit der FISG-Gesetzgebung als Folge des Wirecard-Skandals ist dieses stark reguliert, Beratung und Prüfung können nicht mehr gleichzeitig an ein und dieselben Dienstleister vergeben werden. Laut Henrik Ahlers, Vorsitzender der Geschäftsführung von EY, verspricht EY sich daher weltweit ein zusätzliches Potenzial von 30 Prozent auf dem Audit-Markt, da Prüfer und Mandanten auf Unabhängigkeitskonflikte keine Rücksicht mehr nehmen müssen. Dies könnte ein echter Wettbewerbsvorteil für EY werden, zumindest so lange, wie PwC, KPMG und Deloitte nicht auch den Schritt der Aufspaltung gehen. Bisher weisen die drei dies zurück.

Reine Prüfung weniger profitabel – aber vielleicht attraktiver für Talente?

Die Trennung könnte für EY jedoch auch mit schmerzhaften finanziellen Einbußen verbunden sein. Bisher – das gilt für alle Big-Four-Gesellschaften – sorgt die lukrative Beratungssparte für eine Quersubventionierung der weniger profitablen Prüfsparte. Möglich ist, dass EY nach der Trennung die Honorare für Auditierung erhöhen muss – was wiederum ein echter Wettbewerbsnachteil für EY werden könnte. Wenn die Mandanten da nicht mitziehen, müsste das Volumen an Prüfaufträgen erhöht werden – was sich jedoch wiederum nur mit zusätzlichem Personal bewerkstelligen lässt. Eine Ressource, die jetzt schon Mangelware ist. Vielleicht jedoch kann EY von der neuen Aufstellung in Sachen Arbeitgeberattraktivität auch punkten. Unter den Big Four wird EY eine einzigartige Unternehmenskultur bekommen, in der die Prüfer sich nicht mehr mit der gänzlich unterschiedlichen Spezies der Berater arrangieren müssen. Spannende Zeiten für den Prüfungsmarkt!

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