Mensch-Maschine: Wie HR die KI-Transformation effektiv unterstützen kann

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Sabine Battenhausen

ist Senior Managerin bei Protiviti. In ihrem Bereich Talent Advisory steuert und begleitet sie Projekte mit dem Fokus auf Workforce Planning, High Volume Recruiting und Employee Experience.

Kentaro Ellert

ist Senior Manager bei Protiviti und Experte für Governance, Risk und Compliance für Künstliche Intelligenz. Er begleitet Organisationen zu einem sicheren, verantwortungsvollen, ethisch vertretbaren und vertrauenswürdigen Einsatz von KI.

Julia Kirner

ist Managing Director bei Protiviti. Sie verantwortet das Segment People & Change mit den Schwerpunkten Talent Advisory, Change Enablement und HR Transformation.

Sebastian Mayer

ist Managing Director bei Protiviti. Er leitet die Bereiche Emerging Technology und ServiceNow. Er ist darauf spezialisiert, Kunden bei der verantwortungsvollen Nutzung und Implementierung von KI-Lösungen zu beraten.

Die Konvergenz von Künstlicher Intelligenz (KI) in die Arbeitswelt ist eine transformative Kraft, die eine noch nie da gewesene Effizienzsteigerung mit sich bringt. Sie ermöglicht es Unternehmen, im ersten Schritt Routineaufgaben und perspektivisch auch komplexe und kreative Aufgaben zu automatisieren. Organisationen müssen sich den Herausforderungen stellen, die diese Technologie mit sich bringt. Mit der zunehmenden Nutzung von KI in allen Unternehmensbereichen verändern sich nicht nur die Prozesse, sondern auch die Rollen und Anforderungsprofile von Mitarbeitenden. Dies ist ein großer Teil der sogenannten Workforce Transformation. Die Begeisterung für das Potenzial dieser Technologie wird durch bisher nicht final geklärte regulatorische, ethische und datenschutzrechtliche Fragen und durch die sehr konkrete Angst vor Jobverlust bei den Mitarbeitenden getrübt. Um die Auswirkungen und Herausforderungen von KI besser zu verstehen, ist es wichtig, zunächst zu definieren, was Künstliche Intelligenz genau ist.

Definition KI

Künstliche Intelligenz ist definiert als die Fähigkeit von Maschinen, menschliche Intelligenz nachzuahmen, indem sie aus Erfahrungen lernen und Muster erkennen. KI imitiert menschliche kognitive Fähigkeiten, indem sie Informationen aus Eingabedaten erkennt und sortiert. Diese Intelligenz kann auf programmierten Abläufen basieren oder durch maschinelles Lernen erzeugt werden.1 Die grundlegende Definition von KI zeigt, wie vielseitig und leistungsfähig diese Technologie ist. Doch wie genau beeinflusst sie die Struktur und Dynamik von Unternehmensprozessen und Arbeitsplätzen?

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1    Fraunhofer-Institut für Kognitive Systeme IKS. https://www.iks.fraunhofer.de/de/themen/kuenstliche-intelligenz.html

Entstehung und Weiterentwicklung von Rollen

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Die rasante Entwicklung von KI hat Auswirkung auf Unternehmensprozesse und die Arbeitswelt als Ganzes. Der Anteil der Arbeit, die technisches Wissen erfordert, wird laut dem McKinsey Global Institute voraussichtlich um bis zu 55 Prozent steigen.2 Wesentliche Kenntnisse in Bereichen wie Software-Entwicklung, Künstlicher Intelligenz, UX-Design, Datenanalyse und Robotik werden immergefragter sein. Dabei ist es notwendig, dass Unternehmen unter Berücksichtigung ihrer KI-Strategie und der Marktentwicklungen bereits existierende Rollen zukunftssicher weiterentwickeln und – wo nötig – auch neue schaffen. Folgende Rollen sind bereits durch KI entstanden oder werden durch KI entstehen:

Modellentwickler sind die technischen Experten, die KI-Lösungen entwickeln. Sie verfügen über Programmierkenntnisse und Erfahrungen in der Entwicklung statistischer Modelle. Die potenziellen Anwendungsfälle sind zahlreich: zum Beispiel die Rechnungsbearbeitung unterstützen oder Versicherungsansprüche anhand von Bildern bewerten.

Prompt-Ingenieure sind die Übersetzer zwischen KI und Menschen. Sie sind in der Lage, zu kommunizieren, was von einer spezifischen KI beziehungsweise KI-Anwendung als Ergebnis erwartet wird. Prompt-Ingenieure haben meist einen IT-Hintergrund und kommen aus Studiengängen wie Informatik oder Datenwissenschaft

Data Scientists bilden die Brücke zwischen Rohdaten und der daraus entstehenden Intelligenz. Sie stellen sicher, dass neue Tools mit sauberen Daten erstellt werden, und konstruieren somit das Fundament, auf dem Modellentwickler arbeiten. In Zukunft werden qualitativ hochwertige Daten auch ethische Aspekte berücksichtigen müssen, weswegen sich die Rolle des Data Scientists um diese Aspekte erweitern wird.

IT-Auditoren und Compliance- und Risk-Experten müssen künftig verstehen, wie Algorithmen und selbst lernende Technologien funktionieren. Audit- und Risikoteams müssen gute von schlechten Datengrundlagen unterscheiden können, sie müssen wissen, wie Modelle gebaut werden, und die Ethik dieser neuen Tools verstehen. Sie müssen somit sowohl technisches als auch ethisches Fachwissen besitzen.

Angesichts der ethischen Implikationen von KI werden Ethik-Fachleute immer wichtiger. Ethikbeauftragte sorgen dafür, dass KI-Systeme fair und verantwortungsbewusst eingesetzt werden, und stellen sicher, dass der Einsatz von KI sowie deren Auswirkungen auf die Mitarbeitenden und Kunden fair und ausgewogen sind. Ethikbeauftragte kommen aus dem Bereich Compliance und werden perspektivisch generische technische Fähigkeiten entwickeln.

Auswirkungen auf die künftigen Fähigkeiten

Neben den technischen Rollen, die notwendig für die Implementierung und Nutzung von KI in Unternehmen sind, weitet sich der Einsatz von KI zunehmend auch auf weitere Unternehmensbereiche aus. Die Geschwindigkeit und der Umfang des Einsatzes von KI hängen sowohl von der strategischen Verankerung des Themas als auch von den Fähigkeiten, der Akzeptanz und der Bereitschaft zu Veränderungen der Mitarbeitenden ab.

Die zukünftigen Aufgaben in Unternehmen werden jedoch nicht ausschließlich von Menschen oder Maschinen durchgeführt. Vielmehr sind die Zusammenarbeit und die Verbindung ihrer jeweiligen Stärken notwendig, um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen. Während KI-Technologie in viele Aspekte der Arbeitswelt Eingang findet, werden neben dem technischen Wissen soziale und emotionale Kompetenzen sowie digitales Wissen zu den wichtigsten Fähigkeiten auf dem Arbeitsmarkt gehören.3

War es früher so, dass im beruflichen Kontext Menschen mit Menschen arbeiteten, wird dies nun in einer digitalen Arbeitswelt umso wichtiger. Ideen klar und überzeugend vermitteln, die Perspektive anderer einnehmen und mit Veränderungen, Rückschlägen oder Misserfolgen umgehen können – das sind nur einige Beispiele dafür, wie Zusammenarbeit in einer technologisierten Arbeitswelt besser gelingen kann. Empathie, Kommunikation, Teamarbeit und Resilienz sind daher notwendige soziale und emotionale Kompetenzen für Mitarbeitende. Wer bereit ist, sich weiterzuentwickeln, und sowohl zwischenmenschliche als auch technische und digitale Fähigkeiten besitzt, wird einen Vorteil auf dem Arbeitsmarkt haben.

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2    McKinsey (2018): »Welche Fähigkeiten brauchen wir für die Arbeitswelt 4.0?.« https://www.mckinsey.de/news/ presse/2018-05-23-neue-studie welche-fahigkeitenbrauchen-wir-fur-die-arbeitswelt-40.

3    OECD (2023): OECD Employment Outlook 2023. Artificial Intelligence and the Labour Market. Online unter: https://www.oecd.org/en/publications/oecd-employment-outlook-2023_08785bba-en

Fähigkeiten-Management als Enabler der KI-Transformation

Die Personalentwicklung spielt eine wichtige Rolle bei der effektiven Umsetzung der KI-Strategien von Unternehmen. Am Beispiel der oben aufgeführten technischen Rollen zeigt sich, dass diese künftig nicht ausschließlich über (externe) Experten besetzt werden können. Vielmehr ist es erfolgskritisch, in das Upskilling der Mitarbeitenden zu investieren, um einerseits den aktuellen Bedarf abdecken zu können und andererseits schnell auf mögliche Veränderungen im Arbeitsmarkt vorbereitet zu sein.

Die Entwicklung grundlegender technischer, sozialer und digitaler Kompetenzen, die Mitarbeitende befähigen sollen, moderne Arbeitsplätze erfolgreich zu meistern, erfordert ein nachhaltiges Fähigkeiten-Management. Gleichzeitig kann die systematische Identifizierung, Entwicklung und Pflege von Fähigkeiten und Kompetenzen bestehender Mitarbeitender vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels zum Wettbewerbsvorteil für Unternehmen werden.

Um sich zukunftsorientiert aufzustellen, ist es Aufgabe der Unternehmen, sich strukturiert mit den aktuellen und zukünftigen Fähigkeiten und Kompetenzen ihrer Mitarbeitenden auseinanderzusetzen. Insbesondere im Kontext von KI spielt der Prozess der Identifikation und der Entwicklung von strategischen Kompetenzen – künftig auch der KI-Kompetenzen – eine entscheidende Rolle. KI transformiert aber auch das Fähigkeiten-Management selbst, indem sie durch Trendanalysen und Prognosemodelle zukünftige Fähigkeitsanforderungen vorhersagen kann. Diese Vorhersagen ermöglichen es Unternehmen, sich rechtzeitig auf technologische Fortschritte und Marktveränderungen einzustellen und ihre Strategien entsprechend anzupassen. So können Unternehmen proaktiv auf Marktveränderungen reagieren und sicherstellen, dass ihre Mitarbeitenden über die notwendigen Fähigkeiten verfügen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Das Fähigkeiten-Management ist ein strategischer Ansatz im Personalmanagement, der sich auf Identifikation, Entwicklung und effizienten Einsatz von Fähigkeiten und Kompetenzen der Mitarbeitenden konzentriert. Eine der Voraussetzungen für die Implementierung des Fähigkeiten Managements im Unternehmen ist die Definition/Entwicklung der Unternehmensstrategie. Daraus werden die zukünftigen strategischen Fähigkeiten und Kompetenzen abgeleitet. Folgende Schritte sollten Unternehmen implementieren, um ein effektives Fähigkeiten-Management zu etablieren:

1. Bedarfsanalyse: Die Identifikation des qualitativen und quantitativen Bedarfs an strategischen Fähigkeiten und Kompetenzen erfolgt anhand der angestrebten Unternehmensstrategie. Daraus lassen sich zukünftig erwartete Anforderungen an Kernprozesse, Aufgaben und Verantwortlichkeiten im Unternehmen ableiten.

2. Skill Inventory: Anschließend wird eine umfassende Kompetenz- und Fähigkeiten-Datenbank erstellt, um den Status quo zu erfassen. Nach einer initialen Aufnahme kann der Aufwand für diesen Schritt durch konsequente jährliche Aktualisierung der vorhandenen Kompetenzen und Fähigkeiten reduziert werden.

3. Gap-Analyse: Die aktuellen Kompetenzen und Fähigkeiten werden mit den zukünftigen Anforderungen der verschiedenen Rollen im Unternehmen abgeglichen. Dabei werden Kompetenzlücken identifiziert und Handlungsempfehlungen abgeleitet, um jene perspektivisch zu schließen.

4. E-Modell: Für jede Rolle werden, basierend auf den rollenspezifischen Rahmenbedingungen, individuelle Handlungsempfehlungen anhand des sogenannten E-Modells – Entwickeln, Einkaufen, Entleihen, Einspringen definiert. Die Konsolidierung der Rollen auf Abteilungs- oder Unternehmensebene ermöglicht dabei zusätzlich die Identifikation übergreifender Kompetenzlücken.

5. Kritikalität: Die Priorisierung der Umsetzung der Handlungsempfehlungen basiert auf der Kritikalität einzelner Rollen. Diese setzt sich aus der Passung der Rolle (Grad der Übereinstimmung aktuelle vs. zukünftige Fähigkeiten und Kompetenzen) und der zeitlichen Dringlichkeit zur Schließung der Kompetenzlücken zusammen.

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Bei jedem dieser Schritte geht es darum, sicherzustellen, dass das FähigkeitenManagement gut mit der Gesamtstrategie des Unternehmens synchronisiert ist. Ziel ist es, eine hohe Übereinstimmung zwischen individuellen und organisationalen Kapazitäten und Anforderungen zu erreichen. Durch die konsequente Verbindung von Fähigkeiten-Management mit der Leistungsbewertung (PerformanceManagement) werden zudem Mitarbeitende, die sich kontinuierlich weiterentwickeln und ihre Kompetenzen verbessern, gefördert und motiviert. Um das Fähigkeiten Management und die Integration neuer (KI-)Kompetenzen erfolgreich und nachhaltig im Unternehmen zu verankern, bedarf es der Fähigkeit, der Verantwortung und der Bereitschaft der Mitarbeitenden zu Veränderungen. Diese drei Erfolgsfaktoren sind nicht nur bei den Mitarbeitenden verankert, sondern auch und vor allem bei den Führungskräften. Diese müssen den Wandel aktiv vorantreiben und sind verantwortlich, eine klare Vision zu kommunizieren, Mitarbeitende zu motivieren und die erforderlichen Ressourcen bereitzustellen. Zudem fungieren sie als Vorbilder, die den Wandel vorleben und die Akzeptanz und das Engagement der Mitarbeitenden fördern.

KI-Transformation durch kontinuierliche Weiterentwicklung

Die Integration von KI in die Arbeitswelt bietet immense Potenziale für Produktivitätsgewinne und Innovationen. In diesem dynamischen Umfeld werden Bereitschaft und Fähigkeit eines Unternehmens zur Anpassung zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Neben dem technischen Wissen werden soziale und emotionale Kompetenzen in einer vielfältigen, vernetzten und digitalen Arbeitswelt immer wichtiger. Die systematische Identifizierung, Entwicklung und Pflege von Fähigkeiten und Kompetenzen spielt dabei eine tragende Rolle. Sie ermöglicht die Umsetzung der KI-Transformation des Unternehmens durch kontinuierliche Weiterentwicklung und zeigt gleichzeitig Mitarbeitenden attraktive Entwicklungspfade im Einklang mit den Unternehmenszielen auf. So bleiben Leistungs- und Wettbwerbsfähigkeit des Unternehmens erhalten und Mitarbeitende motiviert.

Matthias Heintke

Managing Director
Protiviti Deutschland

Dr. Carsten Schröder

Head of Business Development
Protiviti Deutschland

Wie können Unternehmen heute Fähigkeitslücken schließen?

Matthias Heintke: Wie gehe ich mit saisonalen Lastspitzen um? Wie bearbeite ich kurzfristig entstandene und liegen gebliebene Aufträge oder Kundenanfragen? Das sind ganz wesentliche Fragen für Unternehmen. Gerade unser Beratungsbereich Managed Solutions bietet skalierbare Teams aus Spezialisten und Sachbearbeitern, die genau für diese Projekte in Unternehmen eingesetzt werden und konkrete Ergebnisse erzielen. Am Ende zählen für die Kundenunternehmen Resultate und die damit verbundene Kundenzufriedenheit.

Wie unterscheidet sich der Managed Solutions-Ansatz von Protiviti von anderen Anbietern?

Matthias Heintke: Unser ganzheitlicher Ansatz ist einzigartig. Durch die Zusammenarbeit der Schwestergesellschaften Protiviti Deutschland und Robert Half Deutschland liefern wir ein passgenaues Beratungsnetzwerk und global exzellente Personalberatung aus einer Hand.

Welche Vorteile ergeben sich für Unternehmen durch die Zusammenarbeit mit Managed Solutions von Protiviti?

Dr. Carsten Schröder: Unternehmen profitieren von Expertenwissen, Kosteneffizienz und Skalierbarkeit. Sie können die Anzahl der Mitarbeitenden je nach Bedarf erhöhen oder reduzieren, genauso wie Bereiche vollständig auslagern und Aufgaben in Projekten denken. Unsere hochmodernen Managed-Solutions-Service-Center bieten flexible und skalierbare Projektteams, während die Belegschaft der Unternehmen entlastet wird und sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren kann. Protiviti ist für die Kundenunternehmen der Ansprechpartner für Beratung, Projektleitung und Technologie-Implementierung wie Cloud-Lösungen, Künstliche Intelligenz/Machine Learning, Process Mining und Robotic Process Automation.

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