Lünendonk im Interview mit Reply

Reply zählt laut der diesjährigen Lünendonk-Liste zu den führenden Dienstleistern im Bereich Digital Experiences Services. Auch im IT-Beratungsmarkt ist Reply eine etablierte Größe. Dr. Oliver Bohl und Dr. Thomas Hartmann berichten im Interview, welche Themen ihre Kundinnen und Kunden beschäftigen und warum sich Kundenzentrierung nachhaltig auszahlt.

17.11.2022

Dr. Oliver Bohl Triplesense Reply

Dr. Oliver Bohl

Geschäftsführer,
Triplesense Reply AG

Dr. Thomas Hartmann

Vorstand,
Reply Deutschland SE

LÜNENDONK: Reply zählt auch in diesem Jahr zu den führenden IT- und Technologieberatungen in Deutschland und erzielt einen signifikanten Umsatzanteil im Bereich Digital Experience. Was waren eure wichtigsten Highlights und Kundenprojekte im vergangenen Jahr?

THOMAS HARTMANN: Der aktuelle Digitalisierungsschub hat große Auswirkungen auf fast alle Wirtschaftsbereiche. Unternehmen streben nach neuen digitalen Lösungen und Businessmodellen. Zudem müssen sie ihr Business stärker datengestützt betreiben, um Kundenzentrierung zu leben und Kosten senken zu können. Nur hierdurch bleiben sie in angespannten Zeiten wettbewerbsfähig und sind weniger krisenanfällig. Um nachhaltige Kundenbeziehungen sicherzustellen, ist eine intelligente und wertschöpfende Verbindung von Daten, Technologien und Kreativität der Schlüssel zum Erfolg.

Unseren Auftrag sehen wir daher darin, kreative Köpfe sowie Expertinnen und Experten für Datenanalyse und Technik zu kombinieren, um komplexe Projekte unserer Kunden – von der Ideation über die Kreation bis zum Go-live und darüber hinaus – begleiten zu können. Das Verständnis von Kundenanforderungen und der technischen Möglichkeiten ist eines der zentralen Erfolgskriterien für die Umsetzung nachhaltiger Digitalstrategien.

Zum Beispiel ist die Nachfrage von Kunden nach Anwendungen, die KI-Ansätze nutzen, stark gestiegen. Weiterhin sehen wir großen Bedarf an Robotik-Lösungen. So ist Reply beispielsweise für die Hamburg Port Authority aktiv: In einem aktuellen Projekt wird die Hamburger Köhlbrandbrücke im Inneren vom Roboterhund Spot auf Schäden untersucht.

Reply sorgt über eine IoT-Edge-to-Cloud-Technologie dafür, dass Spot die Inspekteure dort entlastet und die Instandhaltung mittels KI auf ein neues Level hebt. Zu den Highlights im vergangenen Jahr zählen auch Projekte rund um das Metaverse, in denen wir unsere Kunden dabei unterstützen, die physische Welt mit virtuellen Erfahrungen zu verschmelzen. Für den Kunden Opel haben wir beispielsweise mithilfe von Metaverse-relevanten Ansätzen – etwa VR, Game-Engine-Technologie oder Ähnlichem – Content-Produktions-Prozesse stark vereinfacht und damit den Zeit- und Arbeitsaufwand bei Marketing- und Kommunikationsverantwortlichen drastisch reduziert.

LÜNENDONK: Welche Trends nehmt ihr im Markt für Digital Experience Services derzeit wahr? Und welche Digitalthemen haben für eure Kunden die höchste Relevanz?

THOMAS HARTMANN: Investitionen in neue Technologien und KI-gestützte Geschäftsmodelle stehen im Fokus unserer Kunden. Mit KI lassen sich bestehende Prozesse optimieren, Daten gezielt einsetzen und neue Geschäftsmodelle entwickeln. Auch die Gestaltung von Kundenerlebnissen funktioniert nicht mehr ohne den Einsatz von KI. Das betrifft die Analyse, Planung und Umsetzung von Projekten, Kundenerlebnissen und Kampagnen. KI hat einen maßgeblichen Einfluss auf die Digital Experience der Zukunft, um Kunden individueller anzusprechen, treffende Vorhersagen zu erstellen und agiler auf Marktbewegungen zu reagieren.

Ein weiterer Trend, den wir beobachten, ist die starke Nachfrage nach Cloud-native. Cloudnative-Technologien ermöglichen es Unternehmen, skalierbare Anwendungen in dynamischen Umgebungen und in öffentlichen, privaten und hybriden Clouds zu entwickeln. Die Umsetzung in der Cloud führt zu kurzen Projektlaufzeiten und geringeren Gesamtprojektkosten.

OLIVER BOHL: Im Zuge einer holistischen Customer Experience ist es für Marken entscheidend, Konsumentinnen und Konsumenten effektiv und wiederholt über die gesamte Customer Journey hinweg anzusprechen und zu fesseln. Dabei hilft beispielsweise eine Sentiment-Analyse Unternehmen, den emotionalen Wert ihrer Kommunikation zu ermitteln. Schließlich wollen Marketers erkennen, ob eine konsumentenseitig geäußerte Meinung positiv oder negativ zu bewerten ist. Sie müssen feine Untertöne verstehen und aufgreifen, um relevant kommunizieren zu können. Ironie, Zynismus oder Euphorie sind durch KI mittlerweile im Kontext bewertbar und können in Echtzeit interpretiert werden. Dies trifft auf alle Ansätze des Conversational Marketing zu – denn sowohl mündliche als auch verschriftlichte Informationen können als Basis dienen.

LÜNENDONK: Zu welchen Themen erwartet Ihr zukünftig eine besonders starke Nachfrage?

THOMAS HARTMANN: Da sich das Kundeninteresse auf eine Vielzahl von Touchpoints verteilt, steht die Adaption weiterer digitaler Technologien auf der Agenda vieler Unternehmen. Dazu zählt – genau wie im Vorjahr – das Thema Metaverse. Es geht um Kompetenzen in der Gestaltung virtueller Umgebungen und digitaler Twins, die Entwicklung von 3D-Echtzeitinhalten, Spatial Computing und Blockchain-Technologien, um beispielsweise die Nutzung von NFTs (Non Fungible Tokens) zu ermöglichen.

Wir arbeiten gerade an der Integration von AR-/VR-Technologien mit Cloud-basierten KI-Diensten, um immersive Anwendungen zu entwickeln, die das Personal bei der industriellen Fertigung und Steuerung oder auch Konsumentinnen und Konsumenten unterstützen. Für die Anwendung und Integration von Mixed-Reality-Lösungen erwarten wir beispielsweise eine steigende Nachfrage. Anwendungsfälle können virtuelle Showrooms sein, die das Visualisieren und Erkunden von 3D-Modellen für E-Commerce-Plattformen ermöglichen, oder Multi-User Remote Visits, die Kunstwerke in Museen oder historischen Orten virtuell erlebbar machen.

OLIVER BOHL: Wir sehen, dass auch zwei Themen aus dem Handel an Bedeutung gewinnen: Beim Social Commerce ziehen umfassende Ökosysteme – häufig aufbauend auf sozialen Netzwerken – Konsumentinnen und Konsumenten in ihren Bann und ermöglichen ihnen konsequenterweise nicht nur die Kommunikation untereinander, sondern auch die unmittelbare Transaktion. Gleich ob Aufmerksamkeit wecken mittels performanter Targeting-Methoden, Co-Kreation oder die Nutzung eines Service oder Produkts – die Kaufprozesse und die komplette Customer Journey lassen sich radikal vereinfachen.

Data Driven Commerce verändert den Handel zudem grundlegend. Auch hier spielt KI eine wesentliche Rolle, die über das Up- und Cross-Selling hinausgeht. Es geht um KI-gestützte Ansätze, die ein „phygitales“ Shopping offline, online oder zukünftig im Metaverse ermöglichen.

LÜNENDONK: Gerade vor dem Hintergrund des Metaverse-Hypes zählen speziell VR/AR und immersive Erfahrungen im Digital-Experience-Umfeld zu den wichtigsten Themen: Wie schätzt ihr die Entwicklungen ein?

OLIVER BOHL: Unser digitaler Alltag findet in rein virtuellen und hybriden Umfeldern statt. Die wahrgenommenen Realitäten verwischen und Customer Experiences sind stets digital geprägt. AR-/VR-Ansätze und immersive Technologien wie zum Beispiel volumetrische Videos schaffen neuartige Nutzungserlebnisse und transformieren digitale Erlebnisse von 2D- zu 3D-Welten. Das Metaverse wird als Erweiterung physischer Welten betrachtet.

Dies gilt sowohl im beruflichen als auch im privaten Alltag – es entsteht ein universeller digitaler Layer, der sich über unseren Alltag legt.

THOMAS HARTMANN: Auch wenn der breite Einsatz immersiver Technologien erst noch kommt, eröffnen sich bereits jetzt Möglichkeiten für Unternehmen. Sie können diese Technologien beim Onboarding von Mitarbeitenden nutzen, bei Meetings und Trainings, bei der Verkaufsförderung und für neuartige Einkaufserlebnisse. In die Arbeitswelt wird AR-/VR-Technologie für immersive Treffen und Remote-Zusammenarbeit zunehmend Einzug halten. Beispiele für den privaten Alltag sind digitale Konzerte, Fashion Shows oder ganze Markenwelten in 3D-Form. Beim Online-Shopping sind immersive Experiences im Kommen. Auch das Metaverse kann künftig als weiterer Verkaufskanal fungieren und Users über einen virtuellen Shop ein emotionaleres Einkaufserlebnis bieten. Was wir gerade bei unseren Kunden sehen: Konkrete Fragen rund um Einsatzmöglichkeiten des Metaverse für das Business nehmen zu.

LÜNENDONK: Durch die Digitalisierung steigt auch die Zahl der Cyber-Bedrohungen, wie die befragten Unternehmen in der Studie bestätigen. Was kann dem entgegengesetzt werden?

THOMAS HARTMANN: Cyber Security besitzt bei der Implementierung neuer Technologien hohe Priorität, da sie im Alltag eine bedeutende Rolle spielt. Gleich ob es sich um Smart Homes, Connected Cars oder Roboter dreht, im Zentrum steht die Schaffung und Wahrung von Kundenvertrauen. Daher gilt es, automatisierte und KIbasierte Lösungen zu entwickeln, um die steigende Anzahl Cyber-Bedrohungen abzuwehren. Cyber-Attacken zählen momentan zu den größten Risikofaktoren für die Wirtschaft. Angreifende agieren zunehmend mit mehrstufigen Angriffsstrategien, die bisher nur in der Cyber-Spionage zur Anwendung kamen. Mit der von uns jährlich initiierten Reply Cyber Security Challenge für Studierende und Profis wollen wir den Nachwuchs für dieses wichtige Thema sensibilisieren.

LÜNENDONK: Laut der Studie entwickeln sich Customer Experience und Customer Centricity zu einem zentralen Erfolgsbaustein digitaler Geschäftsmodelle. Was ist eurer Erfahrung nach der Grund hierfür und was müssen Unternehmen dabei beachten?

OLIVER BOHL: Für uns steht echte Kundenzentrierung im Zentrum aller Projekte. Über individuelle Dialoge mit Kundinnen und Kunden und gezielte analytische Maßnahmen können Unternehmen Customer Insights gewinnen und dann ihre Services und Produkte weiterentwickeln. Dazu ist eine analytische Kompetenz unerlässlich. Individuell zugeschnittene Kommunikation, Services und Produkte sind für Kundinnen und Kunden die Normalität. Die Bereitschaft, dafür Daten zu teilen, ist gegeben – wie die in der Regel schnell erteilten Einwilligungen bei Apple, Google, Facebook & Co. zeigen. Wichtig für Unternehmen ist aber auch, an der eigenen Kultur zu arbeiten, um alle Aktivitäten, die nicht Kunden ins Zentrum stellen, zu identifizieren. Für die anschließenden Maßnahmenpakete sind Daten das A und O, wie W. Edwards Deming es treffend formuliert: „In God we trust; all others must bring data“. Die Technik – zu deren Anwendung dann (leider) nach wie vor große Wissens- und Kompetenzdefizite vorhanden sind – muss diesen Kulturwandel unterstützen.

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