In der Projekt- und Personaldienstleistung kann es keinen „One-size-fits-all“-Ansatz geben

Jonas Lünendonk im Gespräch mit Christian Steeg, Managing Director Hays AG

01.12.2020

IT-Freelancer Christian Steeg Hays

Christian Steeg

Managing Director,
Hays AG

Jonas Lünendonk - Managementberatung - Lünendonk & Hossenfelder

Jonas Lünendonk

Geschäftsführender Gesellschafter,
Lünendonk & Hossenfelder GmbH

JONAS LÜNENDONK: Seit unserer ersten Lünendonk®-Liste im Jahr 2008 ist Hays der mit Abstand größte Personaldienstleister für die Vermittlung von IT-Freelancern. Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe für diese erfolgreiche Entwicklung?

CHRISTIAN STEEG: Diese positive Entwicklung liegt zum einen darin begründet, dass Hays im Wettbewerbsvergleich einen historischen Fokus auf den IT-Freelancer-Bereich hat und dieses Commitment bis heute konsequent aufrechterhält. Wir haben den Anspruch, der erste Ansprechpartner im Markt zu sein und zu bleiben. Gleichzeitig möchten wir der Unterschiedlichkeit in den einzelnen Branchen und Marktfeldern gerecht werden und unser jahrzehntelanges Know-how und Branchenverständnis gewinnbringend einsetzen. Deshalb passen wir unsere internen Strukturen kontinuierlich an den Markt an und haben gerade zu Jahresbeginn eine größere Transformation vollzogen. Der Markt ist dynamisch, das erleben wir natürlich besonders stark in Corona-Zeiten; insofern müssen wir auch als Organisation dynamisch und beweglich bleiben. Aus unserer Sicht kann es in der Projekt- und Personaldienstleistung keinen „One-size-fits-all“-Ansatz geben.

JONAS LÜNENDONK: Was erwarten Kunden und freiberufliche IT-Experten Ihrer Meinung nach heute von einem Personaldienstleister, wenn es um die zügige Umsetzung von Projekten geht?

CHRISTIAN STEEG: Aus Kundensicht geht es häufig um ein schnelles, gegenseitiges Verständnis der zu besetzenden Projektvakanz und den sogenannten „Perfect Match“. Neben der fachlich und persönlich richtigen Projektbesetzung und -abwicklung spielt mittlerweile die Erfüllung der Compliance – also der regelkonforme Fremdpersonaleinsatz – ebenfalls eine besonders wichtige Rolle, über den gesamten Projektzyklus hinweg. Aufseiten der selbständigen IT-Experten erwartet man von uns als reifem Dienstleister vor allem vorausschauendes Handeln, Transparenz und verbindliche Kommunikation. Freelancer möchten stets darüber informiert werden, wann es wo passgenaue Projekte für sie gibt, wie schnell diese zu besetzen sind und ob aus dem aktuellen Einsatz möglicherweise auch Folgeprojekte resultieren. Die Zusammenarbeit soll dabei möglichst einfach und unbürokratisch laufen.

JONAS LÜNENDONK: In welchen Branchen sehen Sie in den kommenden Jahren den größten Transformationsbedarf und damit auch Chancen für IT-Freelancer?

CHRISTIAN STEEG: Aus der Vogelperspektive betrachtet können wir keine Branche ausschließen. Viele Unternehmen haben bereits vor Corona damit begonnen, ihre digitale Transformation einzuleiten. Die Krise hat hier lediglich nochmals einen zusätzlichen Dringlichkeits-Push ausgelöst. Nehmen wir beispielsweise die Automobilindustrie: Tesla bezeichnet sich mittlerweile als Software- und Tech-Konzern. Dabei wird eines klar: Wir erleben an vielen Stellen Disruption und daraus erfolgt ein „SkillShift“, also eine Anforderungsänderung bei den Kompetenzen. Ohne externe Expertise kann man diesem Shift nicht ausreichend begegnen. Dieser Effekt gilt analog auch für weitere Branchen, beispielsweise für den Anlagen- und Maschinenbau oder das Banken- und Versicherungswesen.

JONAS LÜNENDONK: Seit kurzem wird stark in die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung in Deutschland investiert, da hier Nachholbedarf besteht. Sehen Sie hier ebenfalls Potenzial und interessante Projekte für IT-Freelancer?

CHRISTIAN STEEG: Ja, das Potenzial sehen wir schon lange und haben mit der Gründung der Geschäftseinheit „Public Services“ bereits vor zehn Jahren darauf reagiert. Heute sind wir der erfahrenste Projekt- und Personaldienstleister im öffentlichen Sektor. Davon profitieren natürlich nicht nur unsere Kunden, sondern auch die Freelancer, die mit Hays überhaupt erst Zugang zu öffentlichen Auftraggebern erhalten. Denn das Vergaberecht ist eine regelrechte Markteintrittsbarriere, die man nur mit viel Expertise überwinden kann. Der Digitalisierungsdruck und der grundsätzliche Mangel an IT-Expertise werden den öffentlichen Sektor über viele Jahre beschäftigen.

JONAS LÜNENDONK: Welche Beobachtungen konnten Sie in der Corona-Zeit in der Branche machen? Glauben Sie, die Krise wird nachhaltige Folge haben?

CHRISTIAN STEEG: Ja! Wir alle haben beobachten müssen, dass diese Pandemie wie ein Brennglas wirkt und damit sowohl positive als auch negative Effekte hervorhebt. Es gibt Unternehmen, die ihre Geschäftsmodelle in diesen Zeiten stärken, und andere, die an den Rand der Überlebensfähigkeit gedrängt werden.
Ich sehe aber auch zahlreiche positive Folgen, denn viele Unternehmen haben in den letzten Monaten ihre Stärken, aber auch ihre Defizite wahrgenommen. Und Letztere sind nicht nur die viel besprochenen Digitalisierungslücken, sondern auch grundsätzliche Prozessschwächen oder Abhängigkeiten in den Lieferketten. Es gibt viele Ansatzpunkte für Verbesserungen, die nun offensichtlich geworden sind und angegangen werden müssen. Um auf Defizite reagieren zu können, braucht es am Ende immer die richtige Expertise. Unternehmen wie Hays fungieren als Projekt- und Personaldienstleister als „Experten-Hubs“. Der richtige Mix aus internen und externen Experten ist und bleibt ein enormer Erfolgsfaktor. Daher rechne ich auch mit einer relativ schnellen Erholung in unserem Markt. Meta-Effekte wie ein globaler Wettbewerb, Demografie und Fachkräftemangel sind zwar durch Covid-19 ausgebremst, aber keinesfalls aufgehoben. Sie kommen wahrscheinlich mit noch größerer Kraft zurück.

JONAS LÜNENDONK: Vielen Dank für das Gespräch.

Über CHRISTIAN STEEG, Managing Director Hays AG:

Christian Steeg ist nach seinem BWL-Studium seit über 20 Jahren bei Hays überwiegend für das Contracting-Geschäft verantwortlich und verfügt über tiefgreifende Expertise im SME-Markt und im Großkundengeschäft.

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