EY plant die Zäsur: Prüfung und Beratung sollen aufgespalten werden

19.09.2022 – Mindelheim

Spekulationen gibt es bereits seit einigen Monaten, nun ist es offiziell: Die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY plant die Trennung ihrer Geschäftsfelder in zwei getrennte, multi-disziplinäre Organisationen. Dieser Schritt – wenn er denn nach der Zustimmung der Partnerschaften bis Anfang 2023 auch erfolgt – kommt einer historischen Zäsur gleich und ist doch nur eine folgerichtige Konsequenz der aktuellen Situation von EY – auch wenn der eingeschlagene Weg riskant ist.

FISG unterbindet gleichzeitige Prüfung und Beratung von Unternehmen

Zum Hintergrund: Nach dem Wirecard-Skandal wurde mit dem Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) die gleichzeitige Prüfung und Beratung von Unternehmen unterbunden und als Interessenskonflikt deklariert. Gerade für multidisziplinär aufgestellte Gesellschaften wie die Big Four wurde es zunehmend schwierig, ihre unterschiedlichen Dienstleistungen im Portfolio – Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Unternehmens- oder Rechtsberatung – gleichzeitig an ein und dasselbe Unternehmen zu vergeben. Unabhängigkeitskonflikte sind vorprogrammiert. Gleichzeitig wird es für die WP-Gesellschaften immer komplexer, alle Mandate, Aufträge und Leistungen international im Blick zu behalten.

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Next Seven profitieren vom Umsatzrückgang der Big Four

Auch die Unternehmen müssen ihre Wahl des Abschlussprüfers seit dem FISG genau abwägen, wenn sie gleichzeitig Beratungsaufträge vergeben wollen. Als Gewinner aus diesem Dilemma geht das wachstumsstarke Verfolgerfeld der Big Four, die Next Seven hervor, die laut der aktuellen Lünendonk-Liste im vergangenen Geschäftsjahr Zuwächse zwischen 6,6 (BDO) und 15,6 Prozent (Grant Thornton) verzeichneten. Die Leistung der Big Four hingegen ging im Mittel um Mittel um 2,9 Prozent zurück.

EY Prüfgesellschaft steht mit Abspaltung vor neuen Herausforderungen

Konkrete Details zur neuen Struktur hat EY indes noch nicht bekannt gegeben. Es scheint gesetzt, dass die abgetrennte Wirtschaftsprüfung weiterhin unter dem Namen EY auftritt, wohingegen ein Markenname für die neue Beratungsgesellschaft noch nicht feststeht. Ohnehin dürften die beiden Gesellschaften künftig unter gänzlich anderen Bedingungen auf dem Markt auftreten. Während die Prüfung aufgrund regulatorischer Anforderungen als Partnerschaft organisiert ist und bleibt, könnte für die Consultants der lukrative Gang an die Börse Realität werden.

EY selbst wird nicht nur weiterhin mit einem angekratzten Image zu kämpfen haben, als reine Prüfgesellschaft wird sie auch stärker gefordert sein, Nachwuchs und Fachkräfte für das wenig aufregende Audit-Business zu gewinnen. Hinzu kommt: Die Margen im Prüfgeschäft sind niedriger als im Consulting, die finanzielle Ausstattung der abgetrennten Prüfungsgesellschaft könnte weniger komfortabel sein als bisher.

Und dennoch: Die Trennung scheint für EY alternativlos und eine Flucht nach vorn, um endlich wieder wachsen zu können. Für die anderen drei der Big Four – PwC, Deloitte und KPMG – scheint die Stunde noch nicht geschlagen zu haben.

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