Die neue Strenge der Wirtschaftsprüfer – zeigt das FISG Wirkung?

19.09.2022 – Mindelheim

In den vergangenen Monaten häufen sich Berichte von Wirtschaftsprüfern, die Testate verweigern oder ihre Prüfungen ausweiten. Prominentestes Beispiel dürfte der Fall der Adler Group sein, der die Wirtschaftspresse seit geraumer Zeit beschäftigt. KPMG hatte dem Immobilienkonzern Ende April einen Versagungsvermerk für den Jahresabschluss 2021 erteilt.

Adler Group sucht händeringend nach neuem Wirtschaftsprüfer

Die Nachricht kam einem Paukenschlag gleich. Dass ein Abschlussprüfer das Testat verweigert – zumal einem SDAX-gelisteten Unternehmen – ist ungewöhnlich. Zu groß war bisher die Furcht vor der Reaktion der Kapitalmärkte. Die Verweigerung eines Testats schickt die Börsenkurse unweigerlich auf Talfahrt – war sie unbegründet, riskieren Prüfer eine Klage der Anleger. KPMG ging noch einen Schritt weiter und teilte im Mai mit, dass man nicht wie vorgesehen als Abschlussprüfer für den Jahres- und Konzernabschluss 2022 zur Verfügung stünde. Seitdem sucht Adler händeringend nach einem neuen Prüfer. Nach Angaben des Handelsblatts hat der Immobilienkonzern nun sogar Bittbriefe an Prüfungsfirmen geschickt, sich für ein Mandat zu bewerben – bisher ohne Erfolg.

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Testierte Jahresabschlüsse verzögern sich bei namhaften Unternehmen

Neben Adler waren in den vergangenen Monaten weitere namhafte Unternehmen von der neuen Strenge der Wirtschaftsprüfer betroffen. Erst kürzlich verweigerte KPMG dem Online-Händler windeln.de das Bilanztestat. Begründung: Es bestünden Zweifel an der Annahme der Fortführung der Unternehmenstätigkeit (going concern). Auch der Maschinenbauer Singulus Technologies wartet noch immer auf den testierten Jahresabschluss für 2020. Die Frist wurde erneut verschoben, nun auf Ende Oktober 2022. KPMG sieht bisher die Fortführungsprognose nicht ausreichend gesichert. Der Wäschehersteller Wolford und der Modehändler Gerry Weber sind ebenfalls betroffen. Auch hier musste die Veröffentlichung des Jahresabschlusses verschoben werden, weil EY und KPMG eine intensivere Prüfung verlangten.

Zeigt das FISG erste Wirkung?

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Die Beispiele legen nahe: Wirecard steckt den Prüfern noch in den Knochen, und das FISG könnte erste Wirkung zeigen. Die Prüfer legen mehr Wert auf Qualität, und die neue Strenge fällt auch deswegen leichter, weil bei Anlegern, Unternehmern und der Öffentlichkeit die Akzeptanz für eine kritische Prüfung gestiegen ist. Die gehäuften Fälle verweigerter oder verzögerter Testate dürften aber nicht nur dem neuen Habitus der Prüfer geschuldet sein – auch die aktuellen Gegebenheiten wie Corona-Pandemie, Lieferkettenproblematik oder die Energiekrise setzen Unternehmen gerade massiv unter Druck und hinterlassen ihre Spuren in den Bilanzen der Unternehmen. Ein Grund mehr, weshalb Prüfer ganz genau hinsehen sollten.

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