Den Einkauf fit machen für die Zukunft

Procurement Transformation

Den Einkauf fit machen für die Zukunft
©William W. Potter – stock.adobe.com
Dr. Stefan Benett, Geschäftsführer im Münchner Büro von Inverto

Dr. Stefan Benett

Geschäftsführer,
im Münchner Büro von Inverto

20.11.2020

Attraktive neue Produkte sind das beste Mittel, um Kunden zu begeistern und dadurch die eigenen Wachstumsziele zu erreichen. Diese Prioritäten setzen Geschäftsführer und Einkaufsleiter in ganz Europa, wie aus der Studie Die Zukunft des Einkaufs jetzt gestalten von Inverto hervorgeht. An den Befragungen zur Studie beteiligten sich 185 Unternehmen. Die wichtigsten Aufgaben eines erfolgreichen Einkaufs sind heute, so die aktuellen Studienergebnisse, die traditionellen Kernbereiche: Sourcing und Warengruppenmanagement, Beschaffungsprozesse sowie das Lieferantenmanagement. Vorrangige Ziele sind die zuverlässige Versorgung mit allen Bedarfen, die Realisierung von Einsparungen sowie die Etablierung effizienter Prozesse. In Zukunft rücken für die befragten Führungskräfte allerdings weitere Kompetenzen in den Fokus: Ein systematisches Innovationsmanagement, die bewusste Gestaltung von Einkaufsstrategie und Teamkultur, die Entwicklung von Mitarbeitern sowie Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung (siehe Abb. Grundbausteine des Einkaufs). Über die Rolle als Kostenmanager hinaus übernimmt der moderne Einkäufer also zunehmend Querschnittsaufgaben. Damit dies gelingt, benötigen Mitarbeiter, ausgehend vom Zielbild des Einkaufs, ein klares Selbstverständnis der eigenen Rolle. Der Weg von der heutigen Beschaffung zum zukünftigen Einkaufsmanagement führt über eine systematische, am Unternehmenszweck ausgerichtete Transformation.

Die Rolle des Einkaufs im Wandel

Die für die Zukunft geforderte Kompetenz zur Schaffung und Implementierung von Innovationen und Nachhaltigkeit stellt dabei die markanteste Veränderung zwischen heute und morgen dar. Aktuell zählen diese Kompetenzen laut Einschätzung der Befragten zu den weniger relevanten Fähigkeiten. Darüber hinaus gilt es, ein neues Bewusstsein für Risiken zu schaffen und ein den weiterentwickelten Bedürfnissen angemessenes Risikomanagement zu etablieren. Die Entwicklung ist eine Antwort auf die Herausforderungen der Unternehmen in Hinblick auf Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit. Der Einkauf soll hier künftig einen stärkeren Beitrag zur Gesamtorganisation leisten. Dies erfordert ein strategischeres Denken als bisher üblich und eine engere Zusammenarbeit mit den operativen Abteilungen des Unternehmens.

Grundbausteine des Einkaufs
Grundbausteine des Einkaufs – Einschätzung der aktuellen und der zukünftigen Bedeutung. Der Pfeil zeigt an, wie sich deren Bedeutung ändert; (n = 185)
Quelle: Inverto-Studie »Die Zukunft des Einkaufs jetzt gestalten«

Der Lieferant als Innovationspartner

Als Vermittler zwischen interner und externer Supply Chain ist der Einkauf in der einzigartigen Position, die Neuausrichtung der Innovationsentwicklung zu gestalten – gemeinsam mit Lieferanten und Fachabteilungen im Unternehmen. Im Rahmen ihrer Kompetenzbereiche sind Lieferanten oft innovationsstärker und ambitionierter als die Abnehmer ihrer Produkte. Sie kennen Wettbewerbsprodukte, zugrunde liegende Technologien und Entwicklungsmöglichkeiten am besten. Ihre Auftraggeber wiederum haben Kontakt zu den Endkunden und verfügen deswegen über Informationen zu deren Bedürfnissen und Verhalten – Wissen, das Lieferanten normalerweise nicht zugänglich ist. Eine enge Zusammenarbeit bei Innovationen lohnt sich daher für beide Seiten.

Der Einkauf kann hier als Bindeglied verschiedener Funktionsbereiche agieren: Durch die enge Zusammenarbeit mit den Fachabteilungen im Unternehmen und den Kontakt zum Lieferanten kann er neue Allianzen schaffen. Das funktioniert natürlich nur, wenn die Einkäufer noch besser als bisher die Belange der Fachabteilungen verstehen und nachvollziehen können, für welche Aufgaben innovative Lösungen seitens der Lieferanten überhaupt Erfolg versprechen. Die Zusammenarbeit mit Lieferanten wird im Idealfall zu einer partnerschaftlichen, Performance-orientierten Beziehung weiterentwickelt. Vereinbarungen gehen über typische Elemente wie Mengenzusagen, Qualitätskennzahlen oder Landed Costs hinaus. Beiträge zu strategischen Zielsetzungen der Kooperationspartner werden ebenfalls einbezogen und eine echte Zusammenarbeit zur Realisierung strategischer Ziele wird notwendig. Damit werden auch »weiche Faktoren« wie Kooperationsbereitschaft, offener Austausch und die gezielte Entwicklung gemeinsamer Projekte relevant. Auf Basis präzise definierter Erwartungen erreichen die Partner gemeinsam eine bessere Performance und profitieren von der neu formulierten Zusammenarbeit.

Doch nicht jeder Anbieter eignet sich als Innovationspartner und nicht jeder Bedarf muss in enger Zusammenarbeit beschafft werden. Lieferantenbeziehungen werden deshalb klarer anhand definierter Standardstrategien gestaltet. Die Strategie eines Einkäufers gegenüber seinen Lieferanten richtet sich in Zukunft also viel mehr als bisher nach Bedeutung und Risikopotenzial des jeweiligen Anbieters für das eigene Unternehmen. Mit Lieferanten, die Innovationen vorantreiben können, wird eine enge Entwicklungspartnerschaft angestrebt. Bei Lieferanten von standardisierten Teilen hingegen stehen für den Einkauf Verfügbarkeit und Kostenführerschaft im Fokus.

Transparenz und Nachhaltigkeit schaffen

Früher ein Nischenthema, sprechen nachhaltig produzierte Güter heute breitere Kundengruppen an. Immer mehr Konsumenten treffen ihre Kaufentscheidungen nach Gesichtspunkten von Umweltschutz und sozialer Verantwortung. Die Zahl der Investoren, die diese Aspekte maßgeblich in ihre Anlagestrategie einbeziehen, ist deutlich gestiegen. Gleichzeitig wird es immer wichtiger, die Kosten der Nutzung natürlicher Ressourcen, etwa in Form von CO2-Zertifikaten, in die Betrachtung einzubeziehen, zumal der weitere Preisanstieg für die Zertifikate vorgezeichnet ist. Dass sich die Kundenbedürfnisse bezüglich Nachhaltigkeit geändert haben, ist vielen Unternehmen bewusst. So geben knapp drei Viertel der Teilnehmer in der Procurement-Transformation-Studie an, dass die Einbindung von Nachhaltigkeitszielen in ihre Geschäftstätigkeit künftig eine größere Rolle spielen wird als heute. Transparente und tendenziell kürzere Lieferketten gewinnen damit zukünftig an Bedeutung.

Mit Strategie zur Nachhaltigkeit

Für nachhaltiges Wirtschaften müssen die Lieferanten in die Entwicklung einbezogen werden. Letztlich gehen Innovationen und mehr Nachhaltigkeit Hand in Hand, denn nachhaltigere Produkte erfordern die gezielte Optimierung und Auswahl von Materialien und Produktionsprozessen. Dabei ist auch der Einkauf in besonderem Maße gefordert: Er ist es, der neue Vorprodukte findet und bewertet und die Transparenz entlang der Lieferkette sicherstellt. Gleichzeitig ist der Trade-off vielfältiger Ziele im Hinblick auf Beschaffungsentscheidungen zu quantifizieren, beispielweise der CO2-Effekt einer global vernetzten oder einer lokalen Produktion. Dafür benötigt der Einkauf neue Bewertungsmaßstäbe, mit denen das Team die geänderten Vorgaben umsetzen kann. Dazu gehört auch, Wissen über neue Beschaffungsmärkte zu erwerben und neue Werkzeuge wie Zertifikate oder Monitoring-Tools zu nutzen.

Kompetenzen für den Einkauf der Zukunft

Um diese Veränderungen erfolgreich zu gestalten, verändert sich für die Einkäufer aus Sicht ihrer Führung das erforderliche Profil für Kompetenzen und Stärken. Für die Umfrageteilnehmer stehen Führungsstärke (50 Prozent), Bereitschaft zur Zusammenarbeit (47 Prozent) und Agilität (42 Prozent) gegenüber klassischen individuellen Kompetenzen im Vordergrund. Dies erfordert die gezielte Weiterentwicklung interpersoneller Kompetenzen (siehe Abb. Die wichtigsten Kompetenzen). Fortbildung ist vor allem dann effektiv, wenn die Lernenden den praktischen Beitrag in den Inhalten sehen. Den wiederum schaffen Vorgesetzte, indem sie den künftigen Zweck des Einkaufs klar definieren und verständlich kommunizieren. Jedoch weist unsere Studie auf eine deutliche Lücke hin: 70 Prozent der Befragten aus dem oberen und mittleren Management sagen, dass sie Zweck und Ziele des Einkaufs innerhalb des Unternehmens definiert haben. Doch nur knapp 30 Prozent der Einkäufer ohne Führungsverantwortung sind der Meinung, dass sie den Zweck verstanden haben und daraus konkrete Rollen und Aufgaben ableiten können. Die Brücke zu bauen von den allgemeinen Unternehmenszielen zur täglichen Arbeit ist demnach nicht überall gelungen. Hier sollten Entscheider ihre Teams besser informieren bzw. die Aufgaben in das Tagesgeschäft übersetzen.

Die wichtigsten Kompetenzen, um in der Einkaufstransformation erfolgreich zu sein;
Die wichtigsten Kompetenzen, um in der Einkaufstransformation erfolgreich zu sein; (n = 185)
Quelle: Inverto-Studie »Die Zukunft des Einkaufs jetzt gestalten«

Ausrichtung am Purpose entscheidet über Erfolg

Die Ausrichtung des Einkaufs an den übergeordneten Unternehmenszielen (Purpose) trägt nicht nur zum Gelingen der Transformation bei, sondern zahlt auch maßgeblich darauf ein, dass der Einkauf seine Ziele erreicht oder gar übertrifft. Die Ergebnisse unserer Studie zeigen hier einen deutlichen Zusammenhang. Augenfällig ist, dass Einkaufsorganisationen dort am erfolgreichsten sind, wo der eindeutig definierte Zweck Schwerpunkte setzt. Einkaufsabteilungen, die nicht so stark an einem klar definierten Zweck orientiert sind, verfehlen dagegen häufiger ihre Ziele.

Zweck und Ziele kann keine Abteilung allein festlegen, sondern sie leiten sich immer aus dem übergeordneten Unternehmenszweck her. Daraus ergibt sich, dass eine Kooperation mit den Fachabteilungen künftig immer wichtiger wird – damit ein Unternehmen als Ganzes erfolgreich ist, müssen die Abteilungen ihre Ziele und Strategien aufeinander abstimmen. Weil aber die Produktion immer stärker agil arbeitet, um schneller Innovationen zu schaffen, muss auch der Einkauf künftig mehr Agilität entwickeln, um das höhere Tempo mitgehen zu können. Entscheidend aber ist, dass durch die Beschleunigung die Orientierung am Zweck nicht verloren geht.

Um die Transformation von der Beschaffungsorganisation zum Innovationsmanager und Nachhaltigkeitsexperten erfolgreich zu bewältigen, benötigt der Einkauf eine klare Definition der Ziele und des Veränderungsbedarfs. Mitarbeiter erwarten plausible Argumente, warum der Wandel notwendig ist und welche Schritte vor ihnen liegen. Wer dies bietet, kann mit einem motivierten Team den Einkauf der Zukunft erfolgreich gestalten.

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