Das Wirecard-Gesetz – nach dem FISG ist vor dem FISG II

29.06.2021 – Mindelheim

Der Fall Wirecard hat den Finanzmarkt Deutschland erschüttert und schlägt auch nach fast einem Jahr noch hohe Wellen. Forderungen nach einer Reform der Finanzmarktaufsicht mündeten nun in einem neuen Gesetz, das die Schwächen im System der Wirtschaftsprüfung beheben soll. Ende Mai haben Bundestag und Bundesrat grünes Licht für das Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG) gegeben, das zum 1. Juli 2021 in Kraft treten wird.

Wesentliche Änderungen im FISG: Rotationsfristen, Haftungsregelung, Rolle der BaFin

Eine der wesentlichen Änderungen betrifft die Rotationsfristen: Aktiengesellschaften müssen ihre Prüfer künftig alle zehn Jahre wechseln statt wie bisher alle 24 Jahre. Zudem ist eine interne Rotation des verantwortlichen Prüfers spätestens nach fünf Jahren vorgesehen.

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Darüber hinaus wird es künftig eine unbeschränkte Haftung bereits bei grober Fahrlässigkeit geben. Dieser Punkt hatte im Vorfeld des Gesetzesbeschlusses viel Kritik hervorgerufen, da verschärfte Haftungsregelungen vor allem mittelständische Wirtschaftsprüfungs-Gesellschaften treffen und dies zu einem verstärkten Marktaustritt führen würde. Tatsächlich wurde hier noch nachgebessert: laut Reuters verkündete CDU-Finanzpolitiker Matthias Hauer den Beschluss, dass kleine und mittlere Wirtschaftsprüfer faktisch keiner unbegrenzten Haftung bei Fahrlässigkeit unterliegen und deren Tätigkeit damit versicherbar bleibe. Die unbegrenzte Haftung für grobe Fahrlässigkeit verbleibt bei der Prüfung von Kapitalgesellschaften von öffentlichem Interesse – und trifft damit weitestgehend nur die großen Prüfungsgesellschaften. Die Mittelständler werden sich indes auf erhöhte Versicherungsprämien einstellen müssen.

Mit dem FISG verändert sich auch die Rolle der Finanzaufsichtsbehörde BaFin. Sie wird künftig allein für die Bilanzkontrolle zuständig sein und erhält die Befugnis, bei Verdacht von Verstößen die Führungsspitze eines geprüften Unternehmens wie auch dessen Abschlussprüfer vorladen und vernehmen zu dürfen. Zudem kann die BaFin die Öffentlichkeit künftig früher als bisher über ihr Vorgehen informieren.

Gesetz verabschiedet, kontroverse Diskussion bleibt

Die Bilanzprüfer sehen sich mit dem FISG indessen zu Unrecht an den Pranger gestellt. Der Branchenverband IDW argumentiert, dass „kein systematisches Versagen der Abschlussprüfung zu erkennen“ sei. Tatsächlich tragen nach Einschätzung von Experten die Regulierungen nur eingeschränkt zur Prävention von Top Management Fraud bei – vor kriminellen Machenschaften Einzelner wird die Branche weiterhin nicht gefeit sein.

Auch die vielfach geforderte weitergehende Trennung von Prüfung und Beratung bleibt ein Zankapfel. Weil die Steuerberatung inkompatibel mit einer unabhängigen Prüfung sei, soll hier strikter separiert werden. Würde dies die Marktmacht der Big Four beschränken? Auch hier sieht der IDW keinen zwingenden Rückschluss. Vielmehr befürchtet der Branchenverband, dass die zunehmenden Regulierungsmaßnahmen die Attraktivität des Berufstands für gut ausgebildete Nachwuchskräfte beeinträchtigt.

Nach dem FISG ist vor dem FISG II

Es herrscht Einigkeit, dass nach der Causa Wirecard das Vertrauen in den Finanzmarkt Deutschland wiederhergestellt werden muss. Ob mit dem aktuellen Gesetz das Ziel einer transparenteren und agilen Bilanzkontrolle tatsächlich erreicht wird, darüber gibt es kontroverse Meinungen. Eine zügige Umsetzung von Maßnahmen seitens der Politik war ein richtiger erster Schritt. Angesichts der Vielzahl grundlegender und komplexer Themen werden die Diskussionen jedoch weitergehen, weitere Änderungen (beispielsweise in Richtung verpflichtender Joint Audits) nicht ausgeschlossen: Nach dem FISG ist vor dem FISG II.

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Jörg Hossenfelder

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