Banking 2025: Agil, digital und datengetrieben

Mario Zillmann hat sich im Rahmen der Studie „Digital Outlook 2025: Financial Services“ mit Reinhold Rehbichler, CTO bei TeamBank und Raphael Vaino, Managing Director bei Senacor Technologies unterhalten.

09.03.2021

Reinhold Rehbichler TeamBank

Reinhold Rehbichler

CTO
TeamBank
Raphael Vaino Senacor Technologies

Raphael Vaino

Managing Director
Senacor Technologies

MARIO ZILLMANN: Herr Rehbichler, haben Sie Angst vor Apple, Google und PayPal?

REINHOLD REHBICHLER: Wir erleben, dass immer mehr Banken nur noch zuschauen können, wie die großen IT-Konzerne den Markt unter sich aufteilen. Keine Bank kann sich dem entziehen. Einerseits, weil der Gesetzgeber durch PSD2 eine Möglichkeit geschaffen hat, auch andere Anbieter auf die Konten der Kunden zugreifen zu lassen. Andererseits geraten die Banken unter Druck, mobile Bezahlsysteme und Schnittstellen zeitnah bereitzustellen. Als die Bankenbranche verstanden hat, dass da so etwas wie eine feindliche Übernahme läuft, war der Zug längst abgefahren.

MARIO ZILLMANN: Wer wird feindlich übernommen?

REINHOLD REHBICHLER: Die Kunden. Wer mit dem Smartphone bezahlt, ist praktisch kein Bankkunde mehr, weil sich die gespeicherten Kontodaten ganz leicht austauschen lassen. Banken, die ihren Kunden zu viele Steine in den Weg legen, gelten als Störenfriede. Die Bank stört das schöne Erlebnis, das viele Anwender in der mobilen Welt erwarten: Es soll einfach alles funktionieren. So dringen die digitalen Ökosysteme der IT-Konzerne in die vormals enge Beziehung zwischen Kunde und Bank ein.

MARIO ZILLMANN: Herr Vaino, wie nehmen Sie den Wettlauf um die Kundenschnittstelle wahr?

RAPHAEL VAINO: Ich glaube, das ist ein allgemeiner Trend. Schon vor den ganzen Payment-Diensten haben sich im Internet Portale entwickelt, über die Kunden verschiedene Produkte vergleichen und gleich kaufen oder Verträge abschließen konnten. Intermediäre an der Kundenschnittstelle gab es immer, genau wie Umleitungen, um das Geschäft selbst zu machen. Bei Autos ist das beispielsweise so. Viele Händler kooperieren mit den Banken. Die großen Hersteller haben aber eigene Banken gegründet, um Kauf und Finanzierung aus einer Hand anzubieten. Das Geld bleibt dadurch im Konzernverbund und den Banken geht ein Kontaktpunkt zum Kunden verloren. Das, was wir jetzt erleben, ist alter Wein in neuen Schläuchen – nur mit viel mehr und viel moderneren Schläuchen.

REINHOLD REHBICHLER: Die entscheidende Frage ist ja, woher diese vielen neuen Schläuche kommen. Gerade bei digitalen Bezahlsystemen sehen wir, dass die Hürden, solche Dienste anzubieten, durch digitale Technologien sinken. Bislang haben eigene Banken bestehende Geschäftsmodelle ergänzt, wie eben die Autobanken. Das gilt auch für die vielen Bonusprogramme, an denen Bankkunden teilnehmen konnten, wenn sie sich für ein bestimmtes Kontomodell entschieden haben. Alle Beteiligten haben davon profitiert, jeder hat die Kunden mal zu Gesicht bekommen. Apple und Google ergänzen aber kein bestehendes Geschäftsmodell, sondern erweitern das eigene auf Kosten anderer. Sie agieren nicht komplementär, sondern konfrontativ. Darauf müssen die Banken neue Antworten finden.

RAPHAEL VAINO: Im Markt zeichnet sich ab, dass die Institute entweder verstärkt produzieren oder vertreiben, also entweder Produkte herstellen oder verschiedene Leistungen bündeln und wie ein Frontend zum Verbraucher arbeiten. Die erste Gruppe braucht vor den Tech-Riesen weniger Angst zu haben, weil deren Kunden als Multiplikatoren wirken können, zu denen eine Produktionsbank möglicherweise sogar erstmals Zugang erhält. Diese B2B2C-Konstellation kennen viele Banken bereits aus eigener Erfahrung, wenn sie ihr Produkt über einen Verbund vertreiben, wie das auch die TeamBank tut.

MARIO ZILLMANN: Wie überzeugen Banken ihre Kunden künftig?

REINHOLD REHBICHLER: Das große Thema heißt Convenience. Kunden wollen nicht mehr ständig neu lernen, wie ein und dasselbe Produkt bei zwei verschiedenen Anbietern funktioniert. Sie nehmen das, was auf Anhieb funktioniert, weil sie das so gewohnt sind. Darum messen wir, was funktioniert und wie sich unsere Kunden verhalten. Wie oft ruft ein Kunde an? Wie oft möchten Kunden den Ratenplan für ihren Kredit ändern? Was haben sie gemeinsam? Je mehr wir wissen und je schneller die Daten durch das Unternehmen fließen, desto besser können wir reagieren.
Es geht also darum, eine robuste IT-Architektur zu bauen, die sich permanent an die Kundenwünsche anpassen lässt und alle regulatorischen, aber auch datenschutzrechtlichen Anforderungen abbildet. Der Schutz und der verantwortungsvolle Umgang mit den Daten unserer Kunden hat dabei stets oberste Priorität. Denn als genossenschaftlich orientiertes Unternehmen richten wir uns bei all unserem Handeln am Wertekanon des ehrbaren Kaufmanns aus. Gerade der innovative Teil fällt uns als Spezialinstitut wahrscheinlich leichter als anderen.

RAPHAEL VAINO: Das stimmt. Wir beobachten schon seit längerem, dass die Kosten bei stärker spezialisierten Instituten gegenüber dem Ertrag langsamer steigen als bei Universalbanken und dass Spezialbanken auch insgesamt über eine bessere Cost-Income-Ratio verfügen. Economies of Scope schneiden, was die Wirtschaftlichkeit angeht, also schlechter ab als Economies of Scale. Kurz gesagt: Ein Produkt und die dazugehörige IT lassen sich einfacher skalieren als eine IT, die ein großes Portfolio aus unterschiedlichen Produkten mit großer Varianz abdecken muss. Dies macht die Produktion teurer und weniger flexibel.

MARIO ZILLMANN: Was schlagen Sie vor?

RAPHAEL VAINO: Ich bin überzeugt davon, dass große Banken ihre Wertschöpfungsketten entflechten und mehr internen Wettbewerb zulassen sollten. Das bedeutet, einzelne Profitcenter aufzubauen und dafür zu sorgen, dass jedes einzelne Produkt eine passende IT-Plattform bekommt, damit es autark wirtschaftlich sein kann. Mehrere IT-Systeme parallel zu skalieren, ist viel schlauer als ein großes System. Darum sollten die Banken alle Strukturen abbauen, die auf ein großes System hinauslaufen. Dazu gehören übrigens auch die bestehenden Hierarchien. Monolithen gibt es nicht nur in der IT, sondern auch in der Organisation, die um dieses System herum entstanden ist. Eine moderne Bank sollte sich möglichst kleinteilig organisieren.

MARIO ZILLMANN: Was halten Sie von dem Ratschlag, Herr Rehbichler?

REINHOLD REHBICHLER: Ich sehe das grundsätzlich genauso. Eine moderne Bank sollte immer aus der Sicht des Kunden agieren und flexibel arbeiten, um Produkte und Services passgenau für den Kunden zu entwickeln, schnell zu testen und das idealerweise in kleinen, agilen Zellen. Wichtig ist, überhaupt erst mal eine gewisse Geschwindigkeit zu entwickeln und sich so aufzustellen, dass sich sowohl die IT wie auch die gesamte Prozesskette schnell an die aktuellen Kundenbedürfnisse anpassen lassen. Gerade jetzt, wo viele Kollegen wegen Corona von einem auf den anderen Tag mobil gearbeitet haben, ist diese Vorgangsweise sehr effektiv und generiert eine hohe Kundenzufriedenheit, da die Servicequalität für den Kunden nicht darunter leidet.

RAPHAEL VAINO: Diesen Aspekt, von jetzt auf gleich von zu Hause aus arbeiten zu können, finde ich auch ganz wichtig. Dabei müssen ja zwei Dinge mitspielen: Die Organisation selbst und dann auch die IT, die das ermöglicht. Entscheidend scheint mir heute zu sein, dass Banken dazu übergehen, sich kleinteiliger zu organisieren, diesen Teilorganisationen mehr Freiheiten zu geben und sie viel enger zu vernetzen. Wir brauchen keine funktionalen Trennungen und Berichtslinien mehr, sondern agile Profitcenter, die zusammen das Geschäftsmodell resilienter machen. Das bedeutet vor allem, dass die IT der Organisation folgen muss und nicht andersherum. In meinen Augen ergibt es keinen Sinn, lauter agile Teams aufzubauen, die sich um ein monolithisches Kernbanksystem scharen und dann darauf warten, dass ihre Entwicklung beim nächsten Release auch wirklich dabei ist.

MARIO ZILLMANN: Gibt es überhaupt noch etwas, das nicht dezentral organisiert sein sollte?

RAPHAEL VAINO: Auf jeden Fall, und zwar alles, was die einzelnen Teams und die Produkte gemeinsam haben, und das sind die Kunden beziehungsweise deren Daten und die Daten, die sie erzeugen. Die meisten Kunden haben ja nicht selten sowohl ein Gehaltskonto wie auch ein Depot und eine Finanzierung, beispielsweise für die eigenen vier Wände oder ein Auto, bei einer Bank. Diese Daten müssen fließen und künftig wird es sehr stark darum gehen, dass alle Unternehmen, nicht nur Banken, lernen, mit diesen Daten zu arbeiten, um die eigenen Angebote zu verbessern und ein besseres Kundenerlebnis zu bieten.

MARIO ZILLMANN: Wie organisieren Sie die Daten bei der TeamBank?

REINHOLD REHBICHLER: Wir haben ein zentrales Datenmanagement, das für das gesamte Unternehmen einen hohen Stellenwert hat. Wir betrachten Daten als Rohstoff und stellen Informationen auf einer zentral gepflegten Plattform bereit. Zusammen mit standardisierten APIs und der laufenden Anpassung unserer eigenentwickelten easyCredit-Plattform bildet die zentrale Datenhaltung die Basis für die technologische Zukunftsfähigkeit der TeamBank. Als nächsten Schritt erweitern wir die Datenplattform um zentrale Reporting- und Analytics-Funktionen und steigern dadurch den Automatisierungsgrad.

MARIO ZILLMANN: Sie scheinen genau zu wissen, wohin die Reise gehen soll. Wo liegen die Herausforderungen?

REINHOLD REHBICHLER: Das Thema Daten steht für uns als oberste Priorität fest. Neben der IT-Strategie gibt es daher in der TeamBank seit 2019 auch eine eigene Daten-Strategie. Diese strategische Verortung hilft, Ziele auszurichten und zu fokussieren, zugleich legt sie die Leitplanken, wie beispielsweise in der Data Governance und Compliance, fest und verinnerlicht so bei jedem Mitarbeiter den verantwortungsvollen Umgang damit. Das gilt auch für das Recruiting. Da sehe ich ähnlich große Herausforderungen. Banken müssen die richtigen Skills am Markt einkaufen und eigene Datenexperten – und ich sage das bewusst, auch -expertinnen – ausbilden.
Mir ist wichtig, dass neben der Bedeutung von Technologien auch verstanden werden muss, dass es ohne Menschen nicht geht. Bei der TeamBank setzen wir darauf, Mitarbeiter nachhaltig zu entwickeln, ein attraktiver Arbeitgeber auch weit über die Region hinaus zu sein, und vor allem eine nachhaltige Kultur zu pflegen und zu leben. Nähe und Wertschätzung gehören für uns genauso dazu wie digitale Skills. All das prägt unsere Bank seit vielen Jahren, auch deshalb stehen wir heute so gut da.

MARIO ZILLMANN: Vielen Dank für das Gespräch.

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